Botschaftermarketing: Zielgruppen aktiv einbinden

Einige Hochschulen arbeiten bereits erfolgreich mit Botschaftermarketing und lassen auf ihren Kanälen in sozialen Medien die Studierenden selbst berichten. Eine der wichtigsten Empfehlungen der Social-Media-Experten: Loslegen, ausprobieren – und Kontrolle abgeben.

Absolventinnen mit Doktorhut machen ein Selfie mit Smartphone
© Zhong Zhi/Getty Images

Welche Personen eignen sich als authentische Botschafter für Hochschulen? Und wie lassen sie sich gewinnbringend ins Hochschulmarketing einbinden? Viele Unternehmen nutzen die Reichweite von Influencern, also Akteuren mit großer Präsenz und vielen Fans in sozialen Netzwerken, bereits für ihre Online-Marketingkampagnen. Mit ihrer Hilfe werden gezielt Markenbotschaften verbreitet. Auch Hochschulen können von der Glaubwürdigkeit und Reichweite solcher Botschafter profitieren. Auf ein klares Ziel und die richtige Auswahl kommt es an.

Mit klaren Zielen nach Talenten suchen

Jonathan Scholz, freiberuflicher Berater für Social Media und Content Marketing in Berlin, ist seit 2015 an der der Online-Marketingkampagne #weilwirdichlieben der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) beteiligt. Scholz lädt regelmäßig Instagrammer mit beträchtlichen Follower-Zahlen ein, eine Woche lang den Kanal der BVG in einem sogenannten Takeover zu bespielen. Der betreffende Instagrammer postet dann unter bestimmten Vorgaben Bilder, die im Zusammenhang mit dem Nahverkehr der Hauptstadt stehen. Eine Bezahlung ist nicht vorgesehen. Scholz und seine Redaktionskollegen begannen die Aktion damit, dass sie zunächst Bilder von Hobbyfotografen aus dem Bekanntenkreis im Instagram-Kanal der BVG platzierten. Über offene Aufrufe erreichte er dann vielversprechende Instagrammer, die allerdings noch keine große Reichweite hatten. Als die Seite bekannter wurde und bereits mit guten Bildern befüllt war, trauten sie sich, auch bekanntere Instagrammer mit mehr als 20.000 Followern anzuschreiben. Einige von ihnen melden sich inzwischen auch von sich aus. Alle Online-Akteure posten unter den gleichen Bedingungen. Scholz‘ Fazit: „Es lohnt sich, nach dem talentierten Nachwuchs zu suchen.“

Wie Hochschulen aktiv werden können


Hochschulen empfiehlt Scholz, zunächst eine klare Strategie für ihre Botschafter zu erarbeiten. Was ist das Hauptthema, welche Ziele gibt es – und wie mutig sollen diese verfolgt werden? „Der Umgang mit Social Media ist ein langer Lernprozess“, so Scholz. „Experimente gehören dazu. Und das Feedback kommt glücklicherweise schnell.“ Im zweiten Schritt gehe es um das Konzept: Welche Motive und Geschichten zur Hochschule können unterhaltsam und attraktiv verwertet werden? Welche Studierenden, Forscher, Mitarbeiter oder Alumni würden sich als Botschafter eignen? Und wie lassen sie sich einbinden?

Das Takeover-Prinzip eignet sich bestens für eine authentische und lebendige Kommunikation. Daneben gibt es aber auch viele andere Möglichkeiten, mit Botschaftern zu arbeiten: Bei Instagram lassen sich Veröffentlichungen eines Nutzers etwa auf den Kanal der Hochschule kopieren („Repost“). Auch andere soziale Medien, die einer Fakultät, ein Blog oder eine Informationsveranstaltung eignen sich dafür, Hochschulbotschafter von ihren Erfahrungen berichten zu lassen und damit einen Austausch zwischen Bewerbern und Studierenden zu ermöglichen.

Mehr Instagram, weniger Facebook: Erfahrungen an der Universität Wien

Die Soziologin und Social-Media-Managerin Dr. Susanne Zöhrer ist seit zwei Jahren an der Planung des digitalen Markenauftritts der Universität Wien beteiligt. Botschafter spielen für die Social-Media-Strategie der mit mehr als 90.000 Studierenden größten Universität im deutschsprachigen Raum eine besondere Rolle: „Niemand kann besser vermitteln, wie es sich an einer Hochschule anfühlt, als jemand, der es selbst erlebt“, so Zöhrer. In einem Blog und im Instagram-Kanal der Universität Wien, gelegentlich auch auf Facebook und YouTube geben deshalb Studierende, Forscher und Absolventen einen unverstellten Einblick in die Arbeit und das Leben auf dem Campus. Zuvor gibt es ein Gespräch, in dem die inhaltliche Richtung abgestimmt und Regeln festgelegt werden. Die Gestaltung der Beiträge wird jedoch nicht eingeschränkt: Akteure und Nutzer sind unabhängige Einzelpersonen.

Als „Visitenkarte“ bezeichnet Zöhrer die Inhalte universitärer Social-Media-Kanäle. Instagram sei dabei als unkomplizierter und direkter Kanal besonders für junge Studieninteressierte wichtig. Gerade für die Ansprache von internationalen Studierenden eigne sich das Format gut, da die Kommunikation meistens auf Englisch stattfinde und die Bilder internationalen Nutzern auf Anhieb verständlich seien. Facebook stoße bei Internetnutzern unter 20 indes nicht mehr auf besonders großes Interesse. Dieser Kanal spiele eher für bereits Studierende eine Rolle, die zu Themen, die das Studium betreffenden, oft in Facebook-Gruppen kommunizieren.

Von der Konkurrenz lernen


Zöhrer und ihre Kollegin Alexandra Musat stellten sich zunächst die Frage, was ein digitaler Kanal der Hochschule anbieten und wie er sich positionieren könnte: „Es gibt unzählige Informationen in den sozialen Medien. Was zeichnet uns und unser Angebot aus?“ Mit schönen Bildern vom historischen Hauptgebäude der Universität war es nicht getan. Zöhrer rät Hochschulen, sich bei der Konkurrenz zu informieren, auch andere Institutionen und Medien in die Recherche einzubeziehen.

An der Universität Wien wird, wie bei der BVG in Berlin, mit dem Takeover-Prinzip gearbeitet: Studierende, Mitarbeiter und Experten übernehmen für eine Woche den Instagram-Kanal und posten aus dem Unialltag. Bei Semesterbeginn berichten neue Studierende von ihren ersten Tagen an der Hochschule, und auch Wissenschaftler sollen in Zukunft stärker mit einbezogen werden. „Daraus entsteht dann eine Art Serie in Echtzeit“, so Zöhrer. Voraussetzung ist nur, dass die Hochschulbotschafter selbst über einen öffentlichen Instagram-Kanal verfügen und nicht erst eingewiesen werden müssen. Zu den Regeln, die in einem persönlichen Gespräch festgelegt werden, gehört zum Beispiel, dass sie höchstens zwei Bilder oder Videos pro Tag posten, um den Kanal nicht zu überfrachten, und sich mit den Persönlichkeitsrechten von Fotografierten vertraut machen.

Zum Blog der Universität Wien:
http://blog.univie.ac.at/

Zum Instagram-Kanal der Universität Wien:
www.instagram.com/univienna/?hl=de

Sich etwas trauen

Seit 2015 arbeitet das zweiköpfige Social-Media-Team mit geringem finanziellem Einsatz am digitalen Markenauftritt der Universität. „Wer guten Content hat, braucht keine Unsummen auszugeben“, so Zöhrer. Dieser und die daran anschließenden Interaktionen zählten oft auch mehr als die Reichweite. Einmal im Semester wird ein Social-Media-Stammtisch organisiert, bei dem sich das Team mit Vertretern der Fachbereiche und Interessierten austauscht.  „Wichtig ist einfach, sich etwas zu trauen“, sagt Zöhrer. „Die digitale Zukunft ist näher, als man denkt.“

Wichtig ist es auch, sich im Vorfeld Gedanken über den Umgang mit unangemessenen Kommentaren zu machen – gerade, wenn mit Botschaftern gearbeitet wird, die sich für die Hochschule in die Öffentlichkeit begeben. Idealerweise reagiert die Community in solchen Fällen selbst und wendet sich gegen den aggressiven Kommentator. Ansonsten gilt die Empfehlung „Don‘t feed the troll“: Provokante Äußerungen ohne inhaltliche Relevanz sollten möglichst ignoriert werden. Gelöscht werden sollten Kommentare allerdings nur, wenn sie Beleidigungen oder Diffamierungen enthalten oder gegen die Netiquette, also die Regeln für respektvolles Verhalten in der digitalen Kommunikation, verstoßen.

Gruppe von Studenten machen ein Selfie mit Smartphone
© skynesher/iStock

Kontrolle abgeben


Im Hinblick auf die Authentizität von Posts raten Zöhrer und Scholz von Korrekturen in einem Takeover-Beitrag auf dem Hochschulkanal ab. Der gelassene Umgang mit Rechtschreibfehlern und schiefen Formulierungen sorge dafür, dass die Hemmschwelle für potenzielle Botschafter und die interagierenden Nutzer niedrig gehalten werde. Wie auch sonst beim Umgang mit Konzepten des Botschaftermarketings lohnt es sich nach Ansicht der Experten, nach der Weichenstellung Kontrolle abzugeben und zu verfolgen, was sich ohne das eigene Zutun entwickelt.

Übersicht möglicher Social-Media-Kanäle im Botschaftermarketing

Kanal

Einsatzbeispiele

Vorteile

Instagram

Takeover, Repost, Instawalk (Kombination aus Fotografieren und Spazierengehen), Gewinnspiele (z.B. Bilderrätsel), Hashtag-Kampagne; Instagram Stories

direkt, schlicht, emotional

Snapchat

Takeover, Snap’n’walk, Online-Verzeichnis von Hochschulen

direkt, informell, viele junge Nutzer

Facebook

Veröffentlichen, Verlinken und Teilen von Texten, Bildern und Videos; Facebook Live

vielseitig, inhaltsstark, multimedial

YouTube

Hochschul-Rundgänge, Begleitung von Veranstaltungen, Videowettbewerbe (Beispiel Universität Wien), Videotagebücher

emotional, informativ, übersichtlich, Auffindbarkeit in Suchmaschinen, Verwertbarkeit auf anderen Plattformen

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Botschafter-Konzepte - Andere über sich sprechen lassen
Aufzeichnung der Vorträge von Jonathan Scholz, Social-Media-Berater, Experte für Content- und Influencer Marketing, und Dr. Susanne Zöhrer, Social Media Manager, Universität Wien, beim Marketingkongress 2017

Elena Witzeck (11. August 2017)

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Hochschulmitarbeiterin mit Tablet in der Hand
shapecharge/iStockphoto

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