Printpublikationen im Hochschulmarketing: Relevant oder bald verschwunden?

Magazine können inspirieren, Broschüren geben einen ersten Überblick und Flyer machen Lust auf mehr. Gedruckte Publikationen spielen auch im digital geprägten Hochschulmarketing noch eine wichtige Rolle. Vor allem dort, wo sie sich mit digitalen Medien verzahnen lassen.

Frau liest eine Zeitschrift auf der Straße
© lechatnoir/iStockphoto

Was haben Wendelin Wiedeking und Ranga Yogeshwar gemeinsam? Eines auf jeden Fall: Beide haben an der RWTH Aachen studiert und waren auf dem Cover des Alumni-Magazins „keep in touch“. Seit fast 35 Jahren berichtet die bundesweit erste Absolventenzeitschrift über Neuigkeiten aus der Alma Mater und stellt Ehemalige und ihre persönlichen Geschichten vor. „Wir brauchen für unsere Alumni etwas Vorzeigbares, das einen hohen Qualitätsanspruch erfüllt“, erklärt Dietrich Hunold, seit 2001 Redaktionsleiter des Magazins. Das Heft spiele aber auch auf Informationsveranstaltungen mit Studieninteressierten eine wichtige Rolle: „Wir zeigen, was man mit einem Studium an der RWTH machen kann, und wo unsere Absolventen heute überall sind.“

Die Sozialen Medien werden im Hochschulmarketing immer wichtiger. Printprodukte verlieren deshalb jedoch nicht automatisch ihren Stellenwert. Etwas in der Hand halten, darin blättern können und es sich bei der Lektüre gemütlich machen: Das haptische Erlebnis, das mit einer gedruckten Publikation verbunden ist, wird von Produzierenden und Nutzern gleichermaßen geschätzt. „Print wird bleiben, weil es eine andere Wertigkeit hat“, prognostiziert Redaktionsleiter Hunold. „Zudem prägen sich Inhalte aus Printmedien nachhaltiger ein.“ Alle bislang 66 Ausgaben der „keep in touch“ sind in gedruckter Form erschienen, auf der Website stehen sie zusätzlich zum Download bereit. Genutzt werden beide Versionen, und das zum Teil sogar von denselben Personen. Während die mobile Version vor allem auf Reisen bevorzugt wird, nehmen die Leser in ihrer Freizeit offenbar gerne ein Heft in die Hand. „Wir wollen alle Generationen ansprechen, deshalb sind unsere Angebote immer auch mobil nutzbar“, sagt Hunold. Rund 23.000 Alumni sind im Verteiler, darunter 4.000 internationale aus mehr als 100 Ländern. Gut die Hälfte der gemeldeten Ehemaligen lässt sich die „keep in touch“ per Post schicken.

Kein Entweder-oder

Auch internationale Universitäten in Uppsala, Aberdeen oder Minnesota versorgen ihre Ehemaligen in aller Welt noch klassisch auf dem Postweg mit den neuesten Nachrichten vom Campus. In Deutschland setzen zahlreiche Hochschulen wie die Frankfurter Goethe-Universität mit ihrem UniReport, die LMU mit dem MünchnerUni Magazin oder die FU Berlin mit ihrem Alumni-Magazin wir und dem von der HRK ausgezeichneten Wissenschaftsmagazin fundiert nach wie vor auf gedruckte Magazine und Broschüren. Dennoch hat längst ein Nachdenken darüber eingesetzt, welche Reichweite Printpublikationen im digitalen Zeitalter erzielen und ob eine regelmäßige Erscheinungsweise noch wirtschaftlich ist. Deshalb stehen Printpublikationen nicht unbedingt grundsätzlich zur Disposition. Es geht vielmehr um die Frage, wie sich Online und Print in der Ansprache relevanter Zielgruppen miteinander verzahnen lassen.

Vom Magazin zum Blog

Die Universität Bielefeld hat die Produktion ihres Hochschulmagazins H1 im November 2018 eingestellt und durch einen Blog mit Geschichten aus der Hochschule, Interviews und Nachrichten ersetzt. Das Forschungsmagazin BI.research erscheint jedoch weiterhin zweimal im Jahr als gedruckte Ausgabe mit Berichten über wissenschaftlich hochkarätige Forschungsprojekte der Universität. Es ist zweisprachig und richtet sich unter anderem an Partner in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft sowie an Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft. „Der Push-Effekt von Printpublikationen ist nicht zu unterschätzen“, sagt Jörg Heeren, Referent Wissenschaftskommunikation an der Universität Bielefeld. Der Diplom-Pädagoge und Journalist ist selbst Mitglied des Absolventen-Netzwerks der Universität Bielefeld und freut sich, wenn er die Alumni-Zeitung „Nachschlag“ zweimal im Jahr aus dem Briefkasten holen kann. „Sie kommt zu mir, auf hochwertigem Papier, ich muss mich nicht selbst darum kümmern“, sagt Heeren. „Das hat einfach einen anderen Charakter als eine Ausgabe zum Downloaden.“ Den Blog wiederum nutzt die Redaktion als „Verteilplattform“. „Dort bringen wir vorab einzelne Artikel aus dem Magazin und verweisen auf die neue Ausgabe. Im Blog teasern wir zudem Themen an, die wir auf unserem YouTube-Kanal vertiefen“, erklärt Heeren. Ergänzend zu Print- und Onlinepublikationen sprechen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule in journalistischen Videobeiträgen auf ihrer Seite research_tv über neueste Erkenntnisse und Entwicklungen – vom Brexit bis zum Wachstum von Eiskristallen.

Screenshot Magazin WIR der FU Berlin
© FU Berlin

Alumni-Zeitschrift "wir" der Freien Universität Berlin

Die visuellen Möglichkeiten von Online-Formaten schätzt auch Dietrich Hunold von der RWTH Aachen: „Mit Bildergalerien, Videos und weiterführenden Links lassen sich Themen noch einmal ganz anders aufbereiten.“ Zwei Jahre lang erschien das Alumni-Magazin „keep in touch“ auch als interaktives e-Magazin, „letztlich waren uns die Adobe-Lizenzen jedoch zu teuer“. Inzwischen prüft die Redaktion andere kostengünstigere Alternativen, beispielsweise das Content-Management-System WordPress. Künftig will die Redaktion zweispurig fahren. Material wäre genug vorhanden, sagt Hunold. „Für die Print-Ausgaben haben wir oft viel mehr Bilder und Texte, als wir veröffentlichen können.“

Print im Insta-Look

„Printpublikationen eignen sich gut als Appetizer, die Lust auf mehr machen“, beobachtet DAAD-Referentin Anne Münkel. Im Rahmen der DAAD-Kampagne studieren weltweit - ERLEBE ES! setzte sie sich intensiv damit auseinander, wie und wofür Printpublikationen sinnvoll eingesetzt werden können. „Wenn es um detaillierte Informationen geht, stoßen Magazine und Broschüren an Grenzen“, stellt sie fest. „Gerade in der persönlichen Beratung oder auf Messen sind sie jedoch sehr hilfreich, man kann den Interessierten direkt etwas zeigen und sie dann auf weiterführende Informationen online verweisen.“ Multiplikatoren wie Schulen und Hochschulen können DAAD-Broschüren und Publikationen kostenfrei bestellen, beispielsweise um sie im Wartebereich auszulegen. „Uns geht es darum, Interesse zu wecken“, sagt Münkel. In Ansprache und Optik harmonieren die Printprodukte mit den digitalen Angeboten. Ein Beispiel: Mehr als 100 Studierende berichten als Correspondents für studieren weltweit von ihren Erlebnissen in 60 Ländern der Welt. Das jährlich erscheinende Printmagazin ERLEBE ES verknüpft ihre Erfahrungen mit Hinweisen zu Planung, Finanzierung und Durchführung des Aufenthalts. „Auch in der Gestaltung beziehen wir uns auf die Online-Kampagne“, erklärt Anne Münkel. Mit kurzen Texten, Piktogrammen oder Bild-Serien im „Insta-Look“ orientiert sich das Heft an den Sehgewohnheiten der jüngeren Generationen und nimmt Elemente der Online-Kampagne auf. In Befragungen kommt das gut an.

Personen stehen am Stehtisch und schauen auf ein Magazin
© DAAD/van Reeken

Beratungsgespräch im Rahmen der Kampagne „studieren weltweit“: Erstinformationen und Anregungen gibt es gedruckt zum Mitnehmen, tiefergehende Informationen online.

Broschüren: Auch an die Eltern denken!

Im Referat „Welcome und internationales Marketing“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz spielen Printpublikationen eine eher untergeordnete Rolle. „Wenn es aber darum geht, Studieninteressierten und vor allem auch deren Eltern einen ersten Eindruck von einem Studienerlebnis an der JGU zu vermitteln, greifen wir weiterhin gerne darauf zurück“, sagt Referatsleiter Gabriel Belinga Belinga. Er kommt gerade von der jährlich stattfindenden NAFSA-Konferenz in Washington zurück. Auch viele Kolleginnen und Kollegen internationaler Hochschulen hat er dort mit Broschüren versorgt – für den mittelgroßen Hochschulstandort sind sie wichtige Multiplikatoren. „Wir nutzen möglichst viele Wege, auch digital, um auf uns aufmerksam zu machen“, so Belinga Belinga. „Broschüren oder Flyer zählen zu den vielen kleinen Instrumenten, die beschreiben, wer wir sind.“ Und die auf einen Blick zeigen, wo Mainz überhaupt liegt: Kurze, prägnante Informationen, Bilder vom Campus und eine Landkarte mit Zoom auf die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt bieten Orientierung. Die neu gestaltete Version ist aktuell in deutscher und englischer Sprache erhältlich. Auf internationalen Messen in Kolumbien oder Chile hat das Mainzer Welcome-Team jedoch auch mit spanischsprachigen Ausgaben gute Erfahrungen gemacht. „Gerade im lateinamerikanischen Raum sind häufig die Eltern dabei, da ist es wichtig, etwas in der Hand zu haben“, erklärt Referatsleiter Belinga Belinga. „Je individueller Broschüren oder Flyer auf unsere Zielgruppen zugeschnitten sind, desto besser kommen wir ins Gespräch.“

Mittelweg zwischen Print und digital

Eltern spielen bei den Studienentscheidungen ihrer Kinder eine besondere Rolle. Beim DAAD zählt die Printpublikation Studieren in Deutschland – Fragen und Antworten für Eltern zu den am meisten nachgefragten Broschüren und wird in viele Sprachen übersetzt. In Form von 15 Fragen und Antworten fasst sie die wichtigsten Informationen zu Studium und Leben in Deutschland für Eltern zusammen. „Eltern spielen in vielen Ländern eine große Rolle bei der Auswahl des Studienstandorts. Die spezifischen Voraussetzungen zum Studium in Deutschland und die Testimonials, die in der Broschüre von ihren Erfahrungen berichten, richten wir je nach Land auf die zielgruppenspezifischen Bedürfnisse aus“, berichtet DAAD-Referatsleiterin Esther Kirk. „Vor allem für Beratungssituationen wird sie von unseren Außenbüros weltweit stark nachgefragt.“ Wenn es im nächsten Schritt mit der Studiengangsuche konkret wird, ist die Zielgruppe jedoch oft digital unterwegs. Für eine der umfangreichsten Printpublikationen, die Broschürenreihe International Programmes zu internationalen Studiengängen an deutschen Hochschulen, hat der DAAD daher ein neues Format gefunden. Die Printversion, die die bereits seit vielen Jahren bestehende Datenbank International Programmes in Germany bislang ergänzte, wurde eingestellt. Die Studiengänge werden seit Herbst 2018 ausschließlich in der Datenbank dargestellt. Das neu entwickelte Print-on-Demand-Format ermöglicht dabei einen Mittelweg zwischen digital und gedruckt. „In der Datenbank filtern Nutzer gezielt für sie interessante Studienangebote heraus, speichern sie in einer individuellen Merkliste und drucken sie sich fertig gelayoutet als Broschüre aus oder lassen sich ein PDF erstellen“, erklärt Esther Kirk. Ergänzt um allgemeine Textbausteine zu Zulassung, Finanzierung oder Leben in Deutschland stellen sich Studieninteressierte so ab Herbst 2019 digital ihre eigene Datensammlung zusammen – und haben anschließend etwas in der Hand. Ein neuer, passgenauer Ansatz, der beim DAAD künftig auch in anderen Bereichen erprobt werden soll.

Gunda Achterhold (12. Juni 2019)

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