Hochschulmitarbeiterin blättert im Programmheft des GATE-Germany-Marketingkongresses
© DAAD/Martin Magunia

GATE-Germany-Marketingkongress 2017: Internationales Hochschulmarketing in Zeiten von Populismus

Experten Wissenschaft und Hochschule haben beim GATE-Germany-Marketingkongress in Bonn über die Herausforderungen und Chancen von Hochschulmarketing in Zeiten von Isolationismus und Populismus gesprochen. Ihr gemeinsamer Appell: Die Kommunikation und Kooperation muss weitergehen.  

DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland spricht auf dem GATE-Germany-Marketingkongress 2017
© DAAD/Wolfgang Hübner-Stauf

Session-Aufzeichnungen

Auf unserem YouTube-Kanal können Sie sich die Mitschnitte einiger Sessions auf dem GATE-Germany-Marketingkongress 2017 ansehen. 

Zur Playlist

Die Befürchtung, dass die zunehmend nationalistischen und isolationistischen Tendenzen einzelner Länder Auswirkungen auf Hochschulkooperationen und die Mobilität internationaler Studierender haben könnten, ist berechtigt. Wie jedoch sollten Politik und Wissenschaft reagieren, um Austausch und Kooperation zu erhalten? Fünf hochrangige Vertreter von Hochschulen und DAAD haben bei einer Diskussionsrunde auf dem GATE-Germany-Marketingkongress in Bonn ihre Erfahrungen und Lösungsansätze ausgetauscht.

Die Weichen werden neu gestellt

Zu Beginn nahm DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland Bezug auf einen Artikel in der Deutschen Universitätszeitung (duz), in dem die Internationalisierung der Hochschulen als Erfolgsgeschichte bezeichnet wird, die das letzte halbe Jahrhundert geprägt hat. Aktuelle Nationalismus-Tendenzen, so die geäußerte Sorge, könnten diesen Erfolg jedoch gefährden. Die Auswirkungen seien vielschichtiger, als man denke, sagte Rüland. „Wissenschaft und Außenpolitik stehen in einer direkten Dependenz zueinander.“ Die Erkenntnis, dass Wissen als Ressource zu einem nationalen Interessenbereich werden müsse, der neben die klassischen Felder der Außenpolitik tritt, sei in den Begriff „Knowledge Diplomacy“ eingeflossen.

In einigen Ländern, so Rüland, würden die Weichen der Wissenschaft gerade neu gestellt: Seit der Entscheidung für den Brexit herrsche in Großbritannien große Unsicherheit. Zahlreiche Wissenschaftler orientierten sich bereits nach Deutschland oder Frankreich, wo sich Präsident Emmanuel Macron für die Forschung stark mache. In den USA stelle sich die Frage, wie unter der Regierung von Donald Trump in Zukunft mit Forschungsmobilität umgegangen werde. Und aus der Türkei sei zu hören, dass die Mobilität von Wissenschaftlern bereits um 60 Prozent zurückgegangen sei. „Die Wissenschaft hat eine zentrale Mittlerrolle“, so Rüland. Die Kommunikation dürfe nicht abbrechen. Internationale Wissenschaftskooperationen seien ein Prinzip der Hoffnung für die Zukunft der Forschung.

„Wir brauchen internationale Netzwerke. Die großen globalen Fragen können nicht isoliert gelöst werden.“

Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des DAAD

Unsicherheit und Spannungen

Dr. Nina Lemmens, seit 2014 Leiterin der DAAD-Außenstelle New York, berichtete von den Reaktionen auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 an amerikanischen Hochschulen. „Es gab Tränen“, sagte sie mit Blick auf liberale Studierende und Hochschulvertreter. Die neue Regierung habe sich dann auch sehr schnell bemerkbar gemacht. Wissenschaftlern wurde die Finanzierung für bereits laufende Forschungsprojekte verweigert, Datenreihen wurden nicht fortgesetzt. Auch wenn der Kongress sich widersetze, werde es zahlreiche Kürzungen geben. Gleichzeitig ist es nach Einschätzung von Lemmens gesellschaftsfähiger geworden, anders aussehende Menschen zu diffamieren. Hochschulen versuchen den neuen Konflikten mit thematischen Seminaren und akademischen Diskussionen zu begegnen.

„An den Hochschulen herrscht große Unsicherheit. Auch auf dem Campus sind Spannungen zu spüren.“

Dr. Nina Lemmens, Leiterin der DAAD-Außenstelle New York

Patrick Burmeier, Leiter des Referats für Marketing und Kommunikation an der deutschsprachigen Andrássy Universität Budapest, gab eine Einschätzung zu den Eingriffen der ungarischen Regierung in die wissenschaftliche Freiheit. Noch seien an seiner Hochschule keine konkreten Veränderungen erkennbar. Der Fall der Central European University in Budapest, die seit einer Gesetzesänderung im April 2017 von der Schließung bedroht ist, habe allerdings Wellen geschlagen. Viele Hochschulen hätten sich aus Angst nur zögerlich der Kritik an der Entscheidung angeschlossen.

Nun befindet sich die Andrássy Universität in einer schwierigen Situation: Der ungarische Staat gilt als ihr größter Förderer, gleichzeitig muss die private Universität sich gegen das Bild wehren, Teil eines autokratisch anmutenden Systems zu sein.

„Ungarn hat als Hochschulstandort einen Imageschaden erlitten.“

Patrick Burmeier, Andrássy Universität Budapest

Diskussionen für die politische Bildung

Professor Jens Strackeljan, Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, ging auf die Probleme ein, mit denen auch deutsche Hochschulen im Hinblick auf ihren Standort als internationale Forschungsstätten konfrontiert werden. In Dresden mache sich die Schwierigkeit, internationale Forscher für einen Aufenthalt zu begeistern, bereits deutlich bemerkbar. Unter Strackeljans Leitung hat die Universität Magdeburg verschiedene Programme aufgelegt, um ausländischen Studierenden, vor allem Flüchtlingen, den Einstieg an der Hochschule und das Einleben zu erleichtern. Strackeljan erinnerte daran, dass die Alternative für Deutschland (AfD) bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 24 Prozent erreichte. An der Universität Magdeburg wiederum gebe es 17 Prozent Ausländer. „Die Situation stellt auch eine Überforderung dar“, so der Rektor.

Aber eine Hochschule habe den Auftrag, zur politischen Bildung ihrer Studierenden beizutragen. Deshalb seien die Informations- und Diskussionsveranstaltungen essentiell. „Wenn wir das nicht machen, werden es beim nächsten Mal wieder 24 Prozent“, so Strackeljan. Auch die Erfahrung, dass die Sicherheit auf dem Campus leide, sei schwer zu ertragen.

„Studierende und Wissenschaftler aus dem Ausland leisten einen großen Beitrag dazu, unsere Kultur zu internationalisieren und Verständnis zu schaffen.“

Prof. Dr. Jens Strackeljan, Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Die emeritierte Soziologie-Professorin und Populismus-Expertin Karin Priester nahm Bezug auf das Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos: Die Wirtschaftselite habe sich tief verunsichert von den weltweiten Populismustendenzen gezeigt. Auf einer programmatischen Ebene, so Priester, unterschieden sich die populistischen Strömungen verschiedener Länder jedoch deutlich. Manche seien liberal begründet und protektionistisch ausgeformt worden, andere hätten linke Tendenzen wie die Sozial- und Wirtschaftspolitik Marine Le Pens. Donald Trumps Strategie der Verbrüderung mit den Benachteiligten bezeichnete Priester als „pseudo-populistische Anbiederung.“ Ähnlich seien sich wiederum die persönlichen und kulturellen Motive, die den Populismus beförderten: darunter Kontrollverlust, fehlende Zukunftsperspektiven und die Sorge um das eigene Land.

„Populismusaffine Menschen haben oft das Gefühl, es gehe mit dem ganzen Land bergab.“

Prof. em. Dr. Karin Priester, Soziologin

Luft nach oben

Im Hinblick auf die bereits spürbaren Veränderungen verwies Nina Lemmens auf eine Studie zur Eintrittsrate von internationalen Studierenden an amerikanischen Hochschulen. Darin sei bereits ein Rückgang der Studierendenzahlen erkennbar. Dorothea Rüland blickte auf den asiatischen Raum und erklärte, dass die Flüchtlingsbewegung in Richtung Europa dort sehr genau und kritisch beobachtet werde. Beide stellten aber auch fest, dass es faszinierend sei, in Europa und den USA so viel soziales und universitäres Engagement wie schon lange nicht mehr zu erleben.

Luft nach oben gebe es weiterhin. Gemeinsam mit den Teilnehmern des Kongresses sprachen die Referentinnen und Referenten abschließend wesentliche Aufgaben für die Zukunft der internationalen Hochschularbeit an:

  • Wissenschaft sollte niemals müde werden, ihre grundlegende Bedeutung zu erklären.

  • Die Kommunikation auf allen Ebenen muss erhalten bleiben.

  • „Sich selbst an die Nase fassen“: Friktionen in der eigenen Umgebung sollten ausgelotet und bearbeitet werden.

  • Es bedarf mehr Kooperationen zwischen Hochschulen. Der Auftrag der „Third Mission“, Wissenschaft mit der und für die Gesellschaft zu betreiben, ist gerade in Zeiten von Populismus und Radikalisierung essenziell.

Elena Witzeck (7. August 2017)