Hohe Qualität in Lehre und Forschung: Wie wird das deutsche Hochschulwesen international wahrgenommen?

Die am 8. Juli veröffentlichte Studie "Außenblick – Internationale Perspektiven auf Deutschland in Zeiten von Corona" widmet sich der Außenwirkung Deutschlands – auch in den Bereichen Forschung und Bildung.

Autor: Klaus Lüber (September 2021)

Auge geschminkt mit Weltkarte
© Artush/shutterstock

Wie blickt die Welt auf Deutschland? Dieser Frage ging die groß angelegte Studie Außenblick nach, ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und des Goethe-Instituts. Über 600 Expertinnen und Experten aus knapp 40 Ländern, allesamt aus den Partnernetzwerken der Institutionen und mit fundiertem Wissen über Deutschland ausgestattet, wurden nach ihrer Sicht auf die Bundesrepublik befragt – zunächst in Online-Befragungen und dann im Rahmen weiterführender Interviews. Die Einzelaussagen wurden dann zu Stimmungsbildern verdichtet. Mit zur Diskussion standen dabei auch die Themen Forschung und Bildung.

Dabei fiel das Bild überwiegend positiv aus. Vor allem die Bildungsvielfalt und Forschungsstärke Deutschlands werden international geschätzt. Deutsche Hochschulen würden mit Partnerinnen und Partnern in aller Welt kooperieren und viele internationale Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anlocken, heißt es. Ein weiterer Pluspunkt aus internationaler Perspektive: Austauschmöglichkeiten und Stipendien für Studierende sowie Hochschulkooperationen. Das mache Deutschland für akademische Talente vieler Länder überaus attraktiv.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Die deutsche Hochschulbildung sei qualitativ sehr hochwertig, es mangle ihr aber an guter Außendarstellung, heißt es in der Studie. Anglo-amerikanische Universitäten verstünden sich besser auf ihre Außenkommunikation. Die an deutschen Universitäten fehlende Selbstvermarktung und unzureichende Vermittlung eines Zugehörigkeitsgefühls mache Deutschland als Studienstandort insbesondere für Studierende, die Führungspositionen anstrebten, weniger attraktiv.

Titelbild der Studie Außenblick mit Logos von DAAD, GIZ und Goethe-Institut
© DAAD/GIZ/Goethe-Institut

Wie wird Deutschland in der Welt gesehen? Die vollständige Studie und weitere Informationen finden Sie auf der Website des DAAD.

Auf die eigenen Stärken besinnen

Peter Kerrigan ist stellvertretender Leiter der DAAD-Außenstelle New York und Marketingbeauftragter des DAAD für Nordamerika. Der US-Amerikaner hat sowohl in den USA als auch in Deutschland studiert, kennt also beide Bildungssysteme genau. Auch er hat die Außenblick-Studie mit Interesse gelesen. Natürlich gebe es immer Dinge, die im deutschen Hochschulmarketing verbessert werden könnten, sagt er. Den direkten Vergleich zwischen Deutschland und den USA findet Kerrigan dennoch problematisch. "Wir haben es hier mit sehr unterschiedlichen Systemen zu tun, mit ganz unterschiedlichen Erwartungen sowohl aufseiten der Studierenden als auch der Universitäten. Da ist nicht der eine Ansatz besser oder schlechter als der andere."

Studierende der University of California Los Angeles laufen über den Campus
© Tom-Kichi/iStockphoto

Die Marketingaktivitäten deutscher Hochschulen lassen sich nur bedingt mit denen US-amerikanischer Campus-Universitäten vergleichen, findet Peter Kerrigan von der DAAD-Außenstelle New York.

Besonders deutlich werde das aus Kerrigans Sicht beim angeblich mangelhaften Zugehörigkeitsgefühl deutscher Studierender zu ihrer Universität. "Hier vergleicht man wirklich Äpfel mit Birnen." Erstens falle es US-Universitäten mit ihrem Campus-Konzept, also der Kopplung von Studium und Alltag, erheblich leichter, ein Gemeinschaftsgefühl unter ihren Studierenden zu generieren. Und zweitens habe dies auch handfeste finanzielle Gründe. "Amerikanische Universitäten sind massiv auf Studiengebühren und Spenden angewiesen. Für sie ist es quasi überlebenswichtig, dass Studierende sich im positiven Sinne mit ihr identifizieren. Am besten ein Leben lang." Auch die Erwartung der Studierenden sei eine andere. "Bei so hohen Gebühren erwartet man auch eine entsprechende Gegenleistung." In Deutschland dagegen habe sich eine Kultur der Selbstständigkeit etabliert. "Ich habe in beiden Ländern studiert. Die Erfahrungen sind einfach komplett andere."

Kerrigans Meinung nach sollten deutsche Universitäten deshalb auch gar nicht so sehr nach Vorbildern in den USA suchen, sondern sich stattdessen auf die eigenen Stärken besinnen. "Bei gutem Hochschulmarketing geht es um Ehrlichkeit und Transparenz. Es muss einfach klar sein, was mich erwartet. Wenn ich gerne etwas selbstständiger sein will und dennoch an Top-Universitäten studieren möchte, dann ist es genau das, was ich in Deutschland bekomme." Und was, auch das ist in der Außenblick-Studie zu lesen, im internationalen Vergleich längst als eine Stärke des deutschen Hochschulwesens wahrgenommen wird: die Selbstständigkeit und Fähigkeit zur kritischen Reflexion, die durch das Studium in Deutschland implizit erlernt werde.

Erstklassige Ausbildung in Deutschland

Schließt also das eine das andere aus? Entweder hohe Selbstständigkeit oder starkes Gemeinschaftsgefühl? So weit würde Peter Kerrigan nicht gehen. Und auch Dr. Katja Simons, Geschäftsführerin des New Yorker Verbindungsbüros von Campus OWL, sieht hier im Kern keinen Widerspruch. Campus OWL ist ein Verbund von fünf staatlichen Hochschulen in Ostwestfalen-Lippe im Nordwesten Deutschlands, Simons Auftrag in New York ist es, Studien- und Forschungsmöglichkeiten zu bewerben und die Zusammenarbeit mit nordamerikanischen Partnerinstitutionen zu fördern. "Gutes Hochschulmarketing kommuniziert das Profil der eigenen Einrichtung, in allen Facetten und für sämtliche Zielgruppen. Wer sind wir? Wofür stehen wir? Dann entsteht ein Zugehörigkeitsgefühl von ganz alleine. Und darin werden deutsche Hochschulen immer besser."

Einen Mangel an professionellem Hochschulmarketing in Deutschland sieht Simons nicht. "Ehrlich gesagt hat mich das ein wenig frustriert an einigen Kommentaren in der Außenblick-Studie. Diesen Vorwurf hört man ja seit 20 Jahren. Dabei entspricht das wirklich nicht mehr der Realität, wie man sie heute in Deutschland vorfindet." So gebe es inzwischen viele Initiativen, die hart daran arbeiten, dass deutsche Hochschulen international wahrgenommen werden. Und das durchaus mit Erfolg. Bei einer kürzlich abgehaltenen Absolventenmesse für US-amerikanischen Masterstudierende und Promovierende, die von Verbindungsbüros deutscher Universitäten in New York organisiert wurde, haben sich 700 Interessentinnen und Interessenten angemeldet. "Englischsprachige Masterprogramme, eine Willkommenskultur, eine staatlich finanzierte Top-Ausbildung – viele deutsche Hochschulen haben längst erkannt, womit sie werben müssen, um international attraktiv zu sein", so Simons.

Logo des Campus OWL New York
© Campus OWL

Internationales Marketing im Verbund: Fünf Hochschulen aus Ostwestfalen-Lippe treten in New York seit 2019 gemeinsam auf.

Die Qualität des Angebots selbst stünde dabei nicht zur Diskussion. "Die Studierenden wissen, dass sie eine erstklassige Ausbildung in Deutschland bekommen." Vor allem die enge Zusammenarbeit mit der Industrie mache deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute begehrt – ein Erfolgsrezept, mit dem auch US-Elite-Universitäten wie Stanford sich ihren erstklassigen Ruf erarbeitet haben, so Simons. Dies bestätigt die Außenblick-Studie, in der neben einigen kritischen Kommentaren zur Außendarstellung auch viel Lob für das deutsche Hochschulwesen zu lesen ist. Die Stärken deutscher Forschungseinrichtungen, so heißt es, liegen "ganz besonders in der Interdisziplinarität, Innovationsfähigkeit und Anwendungsorientierung. Interdisziplinär angelegte Forschungsgruppen ermöglichten flexiblere Forschungsansätze." Eine besondere Stärke seien zudem "anwendungsorientierte Forschungsinstitutionen wie die Fraunhofer-Institute, die theoretische Ansätze in praktische und rentable Lösungen verwandelten."

englischsprachiges Logo der Universität zu Köln
© Universität zu Köln

Bereits seit 2011 ist die Universität zu Köln mit einem eigenen Büro in New York präsent.

Präsenz auf Fachtagungen und Karrieremessen

Wie Hochschulmarketing unter diesen Voraussetzungen am besten funktioniert und was deutsche Universitäten hier schon konkret leisten, davon weiß Dr. Eva Bosbach zu berichten. Bosbach ist Leiterin des Nordamerika-Büros der Universität zu Köln in New York und sagt, man habe sich hier sehr wohl einiges von US-Universitäten abgeschaut, etwa den Aufbau eines starken Netzwerkes aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Alumni. Diese würden sich dann zum Beispiel bei Podiumsdiskussionen auf Fachtagungen und Karrieremessen als Multiplikatoren für die Universität und ihre Forschungsstärke einsetzen. "Das steigert natürlich die Sichtbarkeit." Auch mit dem Tourismusbüro der Stadt Köln hat Bosbach eine Kooperation aufgebaut, um Synergien zu schaffen und Kräfte zu bündeln. "Viele in den USA haben ja schon einmal vom Kölner Dom gehört. Aber so vermitteln wir, dass es in dieser Stadt eben auch eine Universität gibt, und zwar eine der forschungsstärksten und aktuell die größte in Deutschland."

Sich international zu positionieren und Forschungstalente aus aller Welt anzuziehen, ist auch für die Uni Köln essenziell, erklärt Bosbach. Die Außenkommunikation stützt sich auch auf die Exzellenzcluster der Hochschule, die dann fachspezifisch vermarktet werden. Entscheidend hierfür seien neben Präsenz auf Fachtagungen gezielte Veranstaltungen des Verbindungsbüros. Die Kölner Forscherinnen und Forscher unterstütze man ganz spezifisch bei der Vorstellung ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse in Nordamerika und bei der Anbahnung von Kooperationen, um die internationale Strahlkraft zu erhöhen. "Nicht jeder kennt diese Spitzenforschungs-Hubs, aber wenn wir das zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen präsentieren, sind viele beeindruckt."

Auf die Bedürfnisse internationaler Studierender eingehen

Und noch ein weiterer Punkt ist Bosbach wichtig: Man muss auf die Bedürfnisse internationaler Studierender und Forschenden eingehen – ein Punkt, der auch in der Außenblick-Studie angesprochen wird. Das heißt auch, auf vertrauten Kanälen zu kommunizieren sowie Sprachbarrieren und bürokratische Hürden abzubauen. So legt man an der Universität Köln großen Wert darauf, sämtliche Informationen im Web auf Englisch zu veröffentlichen und neben einer gut gepflegten Website auch Social-Media-Plattformen zu nutzen. Hier werden unter anderem Pressemeldungen über aktuelle Forschungsergebnisse oder Stellenausschreibungen geteilt –ebenfalls alles auch auf Englisch. Außerdem habe man diverse Formate entwickelt, die speziell auf Studierende aus dem angloamerikanischen Raum zugeschnitten sind. Sei es ein Bachelor-Vorbereitungskurs, der die Studierenden zunächst etwas stärker an die Hand nimmt, oder eine Summer School, die ein verkürztes, flexibles Curriculum anbietet, das es etwa US-amerikanischen Studierenden ermöglicht, bei der Rückkehr an die Heimat-Uni nahtlos an den dortigen, anders getakteten Lehrrhythmus anzuschließen.

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