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© DAAD/Daniel Ziegert

"Viele bleiben in unserer Region"

Zwei internationale Standorte hat Professor Dr. Peter Sperber als Präsident der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) mitten in Niederbayern aufgebaut. Im Marketing setzt der Physiker auf Statistik. Seit 2021 ist Professor Sperber Mitglied des Lenkungsausschusses von GATE-Germany.


Die THD wirbt mit dem größten Angebot englischsprachiger Studiengänge in Bayern, der Anteil internationaler Studierender ist überdurchschnittlich hoch. Wie ist diese starke internationale Ausrichtung gelungen?

Das war eine Entwicklung über mehrere Etappen hinweg, über einen Zeitraum von gut zehn Jahren. Wie andere Hochschulen auch, haben wir die Internationalisierung lange vor allem über Auslandsaufenthalte im Rahmen von Hochschulpartnerschaften betrieben. Damals lag der Anteil internationaler Studierender bei etwa zehn Prozent. Mit dem Beginn meiner Amtszeit 2012 begannen wir damit, spezielle Angebote für internationale Studierende zu schaffen. Inzwischen hat sich ihr Anteil an der THD vervierfacht und liegt bei 41 Prozent. Auch in internationalen Rankings schneiden wir gut ab.

Welche Schritte führten dazu?

Wir hatten schon immer den Anspruch, die am schnellsten wachsende Hochschule Bayerns sein zu wollen – und haben das seit der Gründung 1984 auch immer geschafft. Mit Blick auf die demografische Entwicklung war jedoch abzusehen, dass sich dieser Anspruch mit überwiegend einheimischen Studierenden nicht mehr lange umsetzen lassen würde. Die einzige Möglichkeit war, stärker ins Internationale zu gehen. Bis dahin gab es an der THD nur wenige englischsprachige Angebote, die internationalen Studierenden nahmen an den deutschsprachigen Veranstaltungen teil. Ein entscheidender Strategiewechsel war, die Lehre internationaler zu gestalten. Wir haben den Fakultäten damals zur Aufgabe gemacht, in den 3. und 4. Semestern auch Vorlesungen auf Englisch anbieten zu müssen.

Wie schwer war es, die Lehrenden für diese Maßgabe zu gewinnen?

Die Umsetzung wurde schlicht und ergreifend an die Finanzzusagen gekoppelt – die Vorgabe, drei bis fünf Vorlesungen pro Fakultät einzurichten, war jedoch durchaus machbar. Diese englischsprachigen Veranstaltungen haben wir als Angebot für unsere internationalen Austauschstudierenden gebündelt, entweder in Richtung Technik oder in Richtung Wirtschaft, und die Zahlen so deutlich über zehn Prozent gebracht. Der nächste wichtige Schritt ergab sich 2015, als der Ort Pfarrkirchen auf uns zu kam mit dem Wunsch nach einer Außenstelle. Die THD hatte damals schon eine ganze Reihe Forschungsaußenstellen im Bayerischen Wald, in Pfarrkirchen sollte der Schwerpunkt jedoch im Bereich Lehre liegen. Damit sahen wir die Chance, etwas ganz Neues zu machen, und gründeten den European Campus als internationalen Standort.

Ein rein englischsprachiger Campus mitten in Niederbayern – das klingt verwegen.

Das war es auch, damals war es der Wahnsinn. Wir reden schließlich von einem Ort mit 15 000 Einwohnern, mitten in der Region – ländlicher geht es kaum. Wir konnten es trotzdem in der Politik durchsetzen und starten. Extrem geholfen hat dabei, dass die Initiative von der Stadt selbst ausging. Die neue Außenstelle war von Anfang an ein Riesenerfolg, die Anmeldungen übertrafen vom ersten Semester an unsere Erwartungen. Wir bauten dort gezielt den Bereich Gesundheitstourismus auf, denn das Drei-Bäder-Dreieck ist nicht weit von Pfarrkirchen entfernt. Inzwischen runden wir das Studienangebot mit Ingenieurwissenschaftlichen Angeboten mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit ab. Wir gingen davon aus, dass so ein Angebot für Studierende aus den Grenzregionen interessant sein könnte, die nach dem Abschluss in der Region arbeiten wollen. Das hat zwar so nicht funktioniert, inzwischen haben wir dort jedoch 1500 Studierende aus mehr als 90 Nationen. 2019 haben wir dann in Cham einen zweiten internationalen Standort eröffnet.

Wie betreiben Sie ein realistisches Erwartungsmanagement, damit Studierende aus dem Ausland bei ihrer Ankunft nicht aus allen Wolken fallen?

Interessanterweise war das nie ein Problem. München ist von Pfarrkirchen 60, von Deggendorf 90 Kilometer entfernt. Für viele internationale Studierende ist das keine Entfernung. Im Gegenteil, sie genießen die familiäre kleinstädtische Atmosphäre häufig enorm. Ein Student aus Madras erzählte mir letztens, wie toll er es findet, dass er in Pfarrkirchen durch die Stadt gehen kann und zufällig Kommilitonen trifft, die er kennt. Inzwischen nutzen wir diesen Aspekt sogar für die Werbung und wenden uns damit gezielt an Eltern mit der Botschaft: Ihr schickt eure Kinder in eine sichere Umgebung.

Über welche Wege werden internationale Studierende aufmerksam auf die THD?

Über alle Social-Media-Kanäle – wir bespielen wirklich alles, von Facebook und Telegram bis Snapchat. Die THD hat eine Marketingabteilung von etwa 30 Personen, die massiv in dieses Thema hineingehen. Auch die Veröffentlichungen des DAAD, insbesondere die Datenbank International Programmes in Germany, und die weiteren GATE-Germany-Angebote wie Messeteilnahmen und Online-Hochschulpräsentationen nutzen wir intensiv.

In Ihre Amtszeit fällt auch die Verleihung des Titels "Technische Hochschule". Wie wichtig ist er im Hinblick auf die Markenbildung?

Für uns ist vor allem der englische Titel Deggendorf Institute of Technology (DIT) ein Name, mit dem wir international extrem gut Werbung machen können. Das Label "Institute of Technology" ist auf der ganzen Welt ein Qualitätsmerkmal, mit dem wir eine ganz andere Aufmerksamkeit gewinnen – in Indien ebenso wie in den Vereinigten Staaten. Wir nutzen den Titel und das eigens dafür kreierte Logo in unserem Marketing ganz massiv und ich bin mir sicher, dass wir ohne ihn international nicht so erfolgreich wären.

Welche Zielgruppen sind für die THD besonders interessant?

Wir haben inzwischen sehr viele Bewerbungen aus Indien, Pakistan und Bangladesch, aus Subsahara-Afrika sind vor allem Studierende aus Nigeria und Ghana stark vertreten. Unser Ziel ist es, über das Marketing eine regionale Ausgewogenheit hinzubekommen. Aktuell bauen wir Statistiken auf, die uns einen Überblick über die ECTS-Punkte internaler Studierender nach vier Semestern bieten. An diesen Daten richten wir künftig unser Marketing aus und konzentrieren uns gezielt auf Länder mit einer hohen Erfolgsquote. Unser Ziel ist es, Studierende herzubringen, die ernsthaft studieren wollen und auch die Voraussetzungen dafür haben. In diesem Zusammenhang denken wir auch über Servicegebühren und eigene Eignungsfeststellungsverfahren nach.

Mehr als zwei Drittel der internationalen Absolventen und Absolventinnen der THD bleiben als Fachkräfte in Deutschland – wie kommt es zu so ungewöhnlich hohen Quoten?

Das hat uns auch überrascht. Je nach Studiengang bleiben 60 bis 80 Prozent unserer internationalen Studierenden in Deutschland, ein großer Teil von ihnen in der Region. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass wir kaum Austauschstudierende haben, die nur für ein Semester kommen. Der Großteil unserer internationalen Studierenden absolviert an der THD ein komplettes Studium. Sie werden in dieser Zeit intensiv in Deutsch geschult, vier Stunden pro Woche sind verpflichtend im Curriculum aufgenommen, es werden Prüfungen abgelegt. Das heißt, sie können nachher gut Deutsch. Viele von ihnen kommen aus Ländern, in denen der Lebensstandard nicht so hoch ist wie in Deutschland. Das hat sicher Einfluss. Und dann finden natürlich viele im Studium die Partnerin oder den Partner fürs Leben, mit denen sie sich gemeinsam niederlassen. Jobs bekommen sie alle, denn der Fachkräftemangel ist überall, auch bei uns in Niederbayern, akut. Die kleinen und mittelständischen Betriebe in der Region sind froh und inzwischen sehr aufgeschlossen. Sie sehen, wie wichtig internationale Fachkräfte für ihre Weiterentwicklung sind. Das war nicht von Anfang an so.

Im Hinblick auf die Internationalisierung der THD ist viel erreicht. Was sind die nächsten Ziele?

Diese beiden internationalen Standorte, die wir haben, zu konsolidieren und zu stabilisieren. Weder in Pfarrkirchen noch in Cham haben wir ein eigenes Hochschulgebäude, wir sind komplett angemietet. Uns geht es weniger darum, die Anteile der internationalen Studierenden weiter zu steigern, die können so bleiben. Unser Ziel ist es, unsere englischsprachigen Standorte langfristig zu etablieren und die Qualität zu halten. Das ist auch im Sinne unserer einheimischen Studierenden: Wer Internationalität gelebt hat, wird sich auch im Beruf leichter tun.

Interview: Gunda Achterhold (Juni 2023)

Prof. Dr. Peter Sperber, Technische Hochschule Deggendorf
© THD

Prof. Dr. Peter Sperber ist seit 2012 Präsident der Technischen Hochschule Deggendorf (THD)

Der GATE-Germany-Lenkungsausschuss

Der Lenkungsausschuss ist das beschlussfassende Gremium von GATE-Germany. Er setzt sich zusammen aus dem Sprecher des Konsortiums Prof. Dr. Joybrato Mukherjee (Präsident des DAAD) und acht Rektorinnen und Rektoren sowie Präsidentinnen und Präsidenten von GATE-Germany-Mitgliedshochschulen. Die Leiterin der Geschäftsstelle Dr. Ursula Maria Egyptien Gad nimmt beratend teil. Der Lenkungsausschuss verabschiedet strategische Richtlinien für die Arbeit des Konsortiums, berät bei der Jahresplanung und entscheidet über die Neuaufnahme von Konsortialmitgliedern.