Gamification: Spielerische Elemente im Hochschulmarketing nutzen
Autorin: Gunda Achterhold (Januar 2024)
Hier ein Rätsel, dort ein kleines Quiz – als Mittel der Kundenbindung sind Spiele aus der Unterhaltungsindustrie oder der Werbebranche schon lange nicht mehr wegzudenken. Auf dem Weg zu einem Ziel Aufgaben zu lösen, mit der Aussicht auf eine Belohnung oder einfach Spaß, dieser Ansatz motiviert Menschen und animiert sie zu einem bestimmten Verhalten. Der Einsatz spieltypischer Elemente in spielfremden Zusammenhängen wird im Marketing als “Gamification” bezeichnet. Das Konzept nutzt unter anderem Mechanismen aus Videospielen und lässt sich inzwischen in vielen Bereichen beobachten, im Fitness-Center und beim Online-Shopping ebenso wie in Weiterbildungsprogrammen oder als Anreiz bei der Personalgewinnung.
Auch an Hochschulen halten spielerische Elemente zunehmend Einzug, beispielsweise in der Nachwuchsgewinnung. So lässt sich etwa am Schicksal einer niedlichen kleinen Katze, die halb tot in einer Kiste sitzt, sogar die Quantenwelt spielerisch erforschen. Mit der gemeinsam entwickelten Spiele-App “Katze Q – ein Quanten-Adventure” wendet sich das Exzellenzcluster ct.qmat der Universitäten Würzburg und Dresden an Kinder und Jugendliche ab elf Jahren. “In der Schule zählt Physik noch immer zu den unbeliebtesten Fächern”, sagt Katja Lesser, Referentin für Wissenschaftskommunikation des Clusters in Dresden. “Mit unserer App wollen wir Hemmschwellen abbauen und zeigen, dass auch so komplexe Themen wie Quantenphysik Spaß machen können.”
Das inzwischen mehrfach preisgekrönte Handyspiel ging im Oktober 2021 weltweit online, seitdem wurde die App von 468.000 Nutzerinnen und Nutzern abgerufen. 376.000 von ihnen wählten die englische Version “Kitty Q” (Stand November 2023). Das Potenzial, mit der Anwendung auch internationale Zielgruppen zu erreichen, war somit von Anfang an gegeben. “Wir beobachten, dass die App auf Events eine gute Möglichkeit bietet, miteinander ins Gespräch zu kommen”, sagt Katja Lesser. “Auch auf internationalen Konferenzen hören wir das Kätzchen mauzen.”
“Jeder spielt gerne”
Die Geschichte ist angelehnt an ein berühmtes Gedankenexperiment des Nobelpreisträgers Erwin Schrödinger, das als “Schrödingers Katze” bekannt ist. “Der spielerische Ansatz kann dazu beitragen, dass Physik als Studienoption überhaupt wahrgenommen wird”, so Lesser. Der Fokus richte sich auf Mädchen, da Frauen in den Physikstudiengängen unterrepräsentiert seien. Die 20 Rätsel beruhen auf wissenschaftlichen Fakten aus der Quantenphysik, vom Konzept des Zufalls bis hin zu kalten Chips. Sie sollen Neugier wecken und zum Ausprobieren anregen. Für das Hochschulmarketing biete der Einsatz spielerischer Elemente Chancen, stellt die Referentin des Dresdner ct.qmat fest. “Die positive Resonanz auf die Katze Q zeigt, dass jeder gerne spielt”, sagt Katja Lesser. “Im Alltag prasseln so viele Informationen auf uns ein, in immer stärker verdichteter Form. Gamification-Formate verbinden Inhalte mit dem Spaß am Spielen und schaffen damit Aufmerksamkeit.”
Auch die Max Planck School of Photonics (MPSP) in Jena setzt bei der Suche nach Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern von morgen auf Gamification. In ihrem MPSP Escape Room kann man sich auf die Spuren des bösen Dr. Dark begeben, der einen Anschlag auf die Nobelpreis-Verleihung plant und die Spielerinnen und Spieler in seinem Physik-Labor eingeschlossen hat. Die virtuelle Verbrecherjagd vermittelt potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern auf spielerische Weise einen Eindruck von den verschiedenen Standorten der Graduiertenschule, die Forschende in ganz Deutschland miteinander vernetzt.
Gamification-Formate lassen sich gut bewerben
Wenn man in der Kommunikation unkonventionelle Wege gehen will, braucht es diese Form der Zielgruppenansprache, davon ist Jasmine Ait-Djoudi überzeugt. Sie leitet die Universitätskommunikation der Bergischen Universität Wuppertal, im Bundesverband Hochschulkommunikation initiierte sie den 2020 ins Leben gerufenen Digital Award. Ausgezeichnet werden digitale Formate, die Themen der Hochschulen “frisch, überraschend und zielgruppengerecht” adressieren. “Formate, die spielerische Elemente nutzen, docken direkt an den Seh- und Rezeptionsgewohnheiten junger Menschen an”, stellt sie fest. “Der Fisch muss nicht dem Angler schmecken. Wenn man sich anschaut, wie die Gaming-Szene tickt, wird man auch im Marketing kaum darauf verzichten können.”
Im dritten Jahr der Preisvergabe sieht Jurymitglied Jasmine Ait-Djoudi eine deutliche Entwicklung hin zu digitalen Formaten, die neue Wege gehen. Den “Giphy Brand Channel” der Leuphana Universität Lüneburg beispielsweise. Die App nutzt kurze Bewegtbilder, sogenannte “GIFs”, um in der Wissenschaftskommunikation Aufmerksamkeit, Reichweite und neue Kontakte zu generieren. “Es sind Leuchttürme, die nominiert werden”, gibt Ait-Djoudi zu bedenken. “Diese Beispiele machen auch deutlich, dass gute, originelle Formate Geld und viel Einsatz kosten.” Bislang seien sie vor allem in der Lehre angesiedelt. “Erfolgreiche Projekte lassen sich jedoch hervorragend im Hochschulmarketing nutzen, um spezifische Fach- und Forschungsgebiete zu bewerben”, so Ait-Djoudi. Viel Potenzial sieht sie für Gamification-Formate, die Virtual Reality nutzen. “Virtuell kann ich mich überall hinbewegen, um Dinge zu erlernen und zu erfahren”, sagt die Kommunikationsleiterin.
Standortmarketing mit dem Tablet
An der ETH Zürich wird die Künstliche Intelligenz zum Thema: Im Auftrag der Hochschulleitung entwickelte die Hochschulkommunikation gemeinsam mit dem Game Technology Center und dem ETH AI Center das Spiel “Morph Tales“. Freundlich dargestellte kleine Helferlein, die sogenannten “Morphs”, träumen davon, intelligente Lösungen für den Klimaschutz oder die Gesundheit der Menschen zu finden. Mithilfe der Spielerinnen und Spieler müssen Sie auf dem Weg nach “Morphtopia”, dem “Campus für die zuverlässigsten und vertrauenswürdigsten Morphs”, vier Aufgaben aus dem Bereich KI lösen: auf einem Kürbisfeld schädliches Unkraut entdecken und mit einem Roboter vernichten beispielsweise, oder einen Mars-Rover auf einen Planeten lenken, um in Proben Hinweise auf mögliches Leben zu finden.
Gamification hilft bei der Berufsorientierung
Noch werden spielerische Elemente im Studiengangsmarketing deutscher Hochschulen selten eingesetzt. In welche Richtung es gehen könnte, zeigen folgende Beispiele:
- Die australische Torrens University setzt in ihrem Hochschulmarketing ein 5-Minuten-Quiz ein. “Career Crush” unterstützt Studierende darin herauszufinden, welcher Karrieretyp sie sind.
- Mit dem “Superheld*innen Campus” und der “Undercover-Mission im Krankenhaus” bietet das Goethe-Institut Onlinespiele zu Ausbildungsberufen an. Hier lassen sich beispielsweise die Aufgaben einer Pflegekraft im Krankenhaus spielerisch erfahren.
“Unser strategisches Ziel ist es, mit diesem Spielparcours das Thema AI zu positionieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen”, sagt Gertrud Lindner, Themenmanagerin in der Hochschulkommunikation der ETH Zürich. “Den Aufgaben liegen jeweils KI-Forschungsprojekte der ETH Zürich zugrunde.” Gemeinsam mit ihrem Kollegen Florian Meyer koordinierte sie das im Juni 2023 gelaunchte Projekt. Angesiedelt ist es zwischen Forschung und Standortmarketing, es verbindet ein Erlebnis in der virtuellen Welt mit einem realen Campusbesuch an der ETH Zürich.
Die Mini-Games werden mit Tablets und Augmented Reality (AR) an echten Spielstationen gespielt. Ziel des Spiels ist es, einen Superjob in “Morphtopia” zu ergattern. Eingesetzt wird es beispielsweise bei Messen oder Besuchen von Schulklassen an der ETH Zürich. “Als Belohnung gibt es freigeschaltete Features, mit denen die Morphs im Laufe des Spiels individuell gestaltet werden können”, sagt Florian Meyer. Das Spiel sei an verschiedenen Orten einsetzbar, auch international. “Denkbar wäre zum Beispiel, es an unserem Standort in Singapur aufzustellen oder bei anderen Auftritten im Ausland.” Für 2024 ist zudem eine kleinere, portable Version geplant, die in Schulen eingesetzt werden kann.
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