"Unsere Universität ist weltweit sichtbar"

Porträtfoto von Prof. Dr. Kerstin Krieglstein
© Sandra Meyndt

Nach zwei Jahren als Rektorin der Universität Konstanz steht die Hirnforscherin Prof. Dr. Kerstin Krieglstein seit 2020 an der Spitze der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seitdem wirkt sie auch als Mitglied im Lenkungsausschuss von GATE-Germany mit.

Interview: Gunda Achterhold (November 2022)

Frau Professorin Krieglstein, welche Themen bewegen Ihre Hochschule aktuell im Bereich Internationalisierung?

Fragen der Zusammenarbeit mit China, oder auch mit Russland, beschäftigen uns an der Universität Freiburg zurzeit genau wie alle Hochschulen sehr, wir diskutieren diese Themen auch im Lenkungsausschuss von GATE-Germany. Den wechselseitigen Austausch von Einschätzungen, Wahrnehmungen und Ideen in diesem Gremium empfinde ich als ausgesprochen hilfreich – es ist ein gutes Gefühl, festzustellen, dass man in vielen Fragen doch sehr ähnlich unterwegs ist. Die Länderinformationen des DAAD und die länderspezifischen Angebote von GATE-Germany wiederum liefern wichtige Hinweise darauf, wie sich die eigene Internationalisierungsstrategie an aktuelle Entwicklungen anpassen lässt.

Wie wird die Universität Freiburg international wahrgenommen?

Die Universität Freiburg wird von Studierenden geschätzt als Hochschule mit einem sehr guten Bildungsangebot in einer Stadt, in der man sich wohlfühlen kann. Internationale Rankings zeigen, dass unsere Universität weltweit sichtbar ist. Ein besonders starker Forschungsbereich an der Universität Freiburg sind die Lebenswissenschaften ebenso wie die Materialwissenschaften. Letztlich hat jedoch jede Disziplin ihre Schwerpunkte, die zu intensiven internationalen Kooperationen führen und mit Wissenschaftsaustausch einhergehen. Besonders viele Austausche finden im Rahmen der europäischen Hochschulallianzen Eucor und EPICUR, die im Sommer in der aktuellen Runde der “Europäischen Hochschulen” erneut erfolgreich waren, statt. Obwohl die Partnerschaften in den vergangenen zwei Jahren eine starke virtuelle Komponente hatten, nehmen wir wahr, dass sich die Studierenden hier in Freiburg sehr, sehr wohl fühlen.

Die Stadt Freiburg wirbt mit dem Titel Green City – kommt dieses Image auch der Universität zugute?

Die Universität Freiburg bildet sicherlich eine ungewöhnlich natürliche, homogene Umgebung ab, die Hochschule und ihre Studierenden sind hier ein gut integrierter Teil der Stadtgesellschaft. Die Stadt selbst ist zugänglich, sympathisch, lebendig und freundlich. Das trägt sicher auch zum Wohlfühleffekt in Freiburg bei. Ob das einer der Hauptgründe ist, warum Studierende sich für die Universität Freiburg entscheiden, weiß ich nicht. Aber ich bin sicher, dass sie mit sehr positiven Erlebnissen aus der ganzen Stadt dann wieder nach Hause ziehen oder wegen dieser Erlebnisse bleiben.

Setzen Sie diese Pluspunkte aktiv im Marketing ein?

Ja, und wir werden es sicherlich zunehmend mehr betonen. Wir sind gerade dabei – und das ist natürlich nur ein kleiner Teil unseres Marketings – die Website der Universität grundlegend zu überarbeiten, um Freiburg auch dort optisch als lebenswerte Stadt darzustellen.

Im Juni hatten Sie es mit einer Klimablockade von Studierenden zu tun. Wie nachhaltig ist die Universität Freiburg aufgestellt?

Für uns ist es wichtig, dass unsere Verantwortung für die Gesellschaft auch durch eine starke Verbundenheit mit dem Thema Nachhaltigkeit und seinen verschiedenen Facetten in Forschung und Lehre zum Ausdruck kommt. An der Universität Freiburg spielt hier unter anderem die Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen eine besonders wichtige und profilbildende Rolle. In der Lehre ist Nachhaltigkeit bei uns bereits auf vielen Ebenen, auch in fakultätsübergreifenden Studiengängen, verankert. Seit 2021 bieten wir zusätzlich ein Nachhaltigkeitszertifikat an, das stark gefragt ist. Studierende können sich hier auf freiwilliger Basis eine signifikante Kompetenz im Bereich Nachhaltigkeit erarbeiten, die auch in späteren Berufsfeldern von Vorteil sein kann.

Wo setzte die Kritik der Studierenden an?

Natürlich muss auch eine Hochschule als Organisation und Betrieb einem verantwortlichen Umgang mit Ressourcen gerecht werden. Zum Thema Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre haben wir 2021 einen Strategie-Arbeitskreis als Teil unserer Gesamtstrategie eingerichtet, der sich mit diesen Fragen befasst. Die Besetzung des Hörsaals hat uns auch gezeigt, dass das Engagement der Hochschule in diesem Bereich von vielen Studierenden offensichtlich nicht ausreichend wahrgenommen wurde. Die Initiative war letztlich hilfreich, weil so das wechselseitige Verständnis noch einmal geschärft werden konnte. Wir arbeiten zusammen an einer klareren Außendarstellung in diesem Bereich und sind im engen Austausch mit den Studierenden geblieben. Auch im Hinblick auf unser internationales Marketing ist dies im Rahmen des Website-Relaunches, aber auch in den vielen weiteren Marketing-Maßnahmen und -Kanälen, ein gewichtiger Teil.

Gibt es andere strategische Ziele, die Sie sich für das internationale Marketing gesetzt haben?

Wir müssen auf jeden Fall in unserer europäischen Community denken und hier den Austausch befördern. EPICUR zum Beispiel hat mit der Universität Freiburg neun Partneruniversitäten, verteilt auf sieben Länder in Europa. Die Zusammenarbeit in diesem Verbund ist sehr gewinnbringend, weil er sehr unterschiedliche Länder und akademische Systeme umfasst. Hier erleben wir eine hohe Dynamik und Motivation aller Beteiligten, ein gutes Miteinander und einen regen Studierendenaustausch sowie das erfolgreiche internationale Studierendenmarketing weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus bestehen natürlich auch in einem größeren internationalen Rahmen signifikante Partnerschaften, im nordamerikanischen Raum beispielsweise, oder in Afrika. Mit den Kolleginnen und Kollegen in Ghana pflegen wir besonders gute institutionelle Kontakte und haben gemeinsam ein Institute for Advanced Studies aufgebaut. Das ist ebenfalls eine gute Basis für einen intensiven Studierendenaustausch und das Studierendenmarketing – und beides möchten wir gern noch weiter ausbauen. Auch das internationale Forschungsmarketing hat an der Universität Freiburg eine lange Tradition und wir werden Formate wie die Rising Stars Academy weiterführen.

Über das Thema Internationalisierung denke ich allerdings auch grundsätzlicher nach.

Inwiefern?

Internationalisierung spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab – im Kontext der Studierenden und Ehemaligen unserer Universität ebenso wie in der Forschung und im Hinblick auf institutionelle internationale Partnerschaften. Eine Internationalisierungsstrategie lässt sich natürlich jeweils konzeptionell an den inhaltlichen Bedürfnissen der einzelnen Gruppen ausrichten und anhand eines gegebenen Sets an Informationen im Marketing entsprechend unterschiedlich darstellen und in Maßnahmen umsetzen. Mir stellt sich jedoch die Frage, wie sich daraus ein kohärenteres, grundsätzlicheres Modell aufstellen lässt. Wie lassen sich diese doch sehr unterschiedlichen Bereiche in einer einheitlichen Internationalisierungsstrategie bündeln, die zu einer gerichteten Entwicklung beiträgt?

Sie stehen als Frau und Naturwissenschaftlerin sehr sichtbar an der Spitze einer Hochschule. Verstehen Sie sich auch als Role Model?

Ich muss gestehen, dass ich mich selbst nicht so etikettiere – aber wahrnehme, dass ich es bin.

Woran merken Sie das?

Erstens, weil Leute entsprechend reagieren. Eine Frau an der Spitze ist eben noch immer eine Ausnahme. Und weil ich mit dem, was ich sage und lebe, offensichtlich Spuren hinterlasse und jungen Menschen Anregungen gebe. Erst kürzlich kam ich mit einer jungen Wissenschaftlerin ins Gespräch, die gerade auf dem Sprung in den Beruf war. Unser Austausch führte dazu, dass sie sich um ein besseres Jobangebot bemühte und Initiative ergriff. Das zeigt, wie wichtig Vorbilder und auch Mentoring für junge Wissenschaftlerinnen sind.

Was würden Sie sich für Ihre Amtszeit als Universitätsrektorin wünschen?

Man kann das Veränderungsvermögen von Universitäten gar nicht überschätzen – mit Blick auf die Gesellschaft und auf sich selbst. Für mich als grundsätzliche Haltung ist es besonders schön, wenn wir uns nicht als regionale oder nationale Bürgerinnen und Bürger, sondern als Bürgerinnen und Bürger einer globalen Gesellschaft mit einer globalen Verantwortung verstehen. Alles, was dazu beiträgt, ist mir ein großes Anliegen. Unsere Studierenden mit dieser Mentalität in die Welt zu schicken und die Menschen der Welt in unseren Reihen aufzunehmen und willkommen zu heißen, das wäre wunderbar.

Der GATE-Germany-Lenkungsausschuss

Der Lenkungsausschuss ist das beschlussfassende Gremium von GATE-Germany. Er setzt sich zusammen aus dem Sprecher des Konsortiums Prof. Dr. Joybrato Mukherjee (Präsident des DAAD) und acht Rektorinnen und Rektoren bzw. Präsidentinnen und Präsidenten von GATE-Germany-Mitgliedshochschulen. Der Leiter der Geschäftsstelle Stefan Hase-Bergen nimmt beratend teil. Der Lenkungsausschuss verabschiedet strategische Richtlinien für die Arbeit des Konsortiums, berät bei der Jahresplanung und entscheidet über die Neuaufnahme von Konsortialmitgliedern.

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