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"KI kann den internationalen Austausch unterstützen"

Porträtfoto Prof. Dr. Jean Meyer
© Stefan Bausewein

Mit ihrem starken Fokus auf zukunfts- und praxisorientierte Lehre sowie innovative Forschungsprojekte fördert die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) den direkten Wissenstransfer in die regionale Wirtschaft. Seit 2024 ist Prof. Dr. Jean Meyer Präsident der THWS und seit Anfang 2025 Mitglied des Lenkungsausschusses von GATE-Germany.

Interview: Gunda Achterhold (Mai 2025)

Herr Professor Meyer, 2023 wurde aus der FHWS (Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt) die THWS. Welchen Einfluss hat das neue Label auf die internationale Außenwirkung der Hochschule?

Dem ingenieurwissenschaftlichen Bereich, aber auch anderen Studiengängen, die Berührungspunkte mit der Technik haben, kommt der neue Name tatsächlich zugute. Für Partner und Unternehmen in der Region werden wir noch einmal deutlich sichtbarer. Auch in den Bereichen Forschung und Transfer lässt sich beobachten, dass wir als THWS ein anderes Standing in der Wahrnehmung haben.

Die internationale Fachkräftegewinnung ist eines der Megathemen an deutschen Hochschulen. Zielt die Umbenennung in diese Richtung?

Die Anfänge der Internationalisierung reichen an der THWS bis weit vor die Umbenennung zurück. Ein direkter Zusammenhang besteht nicht, obgleich die Internationalisierung vom neuen Label profitiert, denn ein Großteil unserer englischsprachigen Studiengänge ist im Ingenieurwesen angesiedelt. Die ersten internationalen grundständigen Studiengänge wurden 2014 an der THWS eingeführt. Dazu zählten der Bachelor Business and Engineering und der Bachelor Logistics. In der Zwischenzeit sind weitere hinzugekommen, beispielsweise Mechatronics, Robotics, International Management und kürzlich auch Applied Mathematics sowie Applied Polymer Engineering.

Die THWS ist an zwei Standorten vertreten, sind die fachlichen Schwerpunkte unterschiedlich ausgerichtet?

Zwei Drittel unserer Studierenden sind in Würzburg, wo unter anderem unsere großen Fakultäten für angewandte Sozialwissenschaften, Informatik sowie unsere Business School angesiedelt sind. In Schweinfurt ist das klassische Engineering untergebracht, dazu zählen beispielsweise die Fakultäten Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen. Das passt auch gut, denn Schweinfurt ist eine klassische Industriestadt. Viele große Automobilzulieferer sind hier ansässig, also Firmen, die potenziell nach Absolventinnen und Absolventen aus technischen Fächern suchen. Für die Region ist das wichtig, denn die Nachwuchskräftegewinnung ist eines der brennenden Themen in Unterfranken.

Werden die englischsprachigen Angebote auch von deutschen Studierenden wahrgenommen?

Zu einem Großteil werden sie von Studierenden besucht, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben. Parallel zu den meisten unserer englischsprachigen Studiengänge gibt es einen inhaltsgleichen deutschsprachigen Studiengang, die Vorlesungen und Prüfungen beider Studiengänge sind identisch. Das Einzige, was sie unterscheidet, ist die Sprache. Wir nennen diese Art von Studiengängen “TWIN-Studiengänge”. Dieses niedrigschwellige Zwillingsmodell ermöglicht und fördert einen Sprachwechsel im Laufe des Studiums, die Wechselmöglichkeit ist optional. Studierende, die sprachlich noch nicht sicher sind oder Berührungsängste haben, verzichten auf die Möglichkeit oder wechseln später in den höheren Semestern.

Ein Erfolgsmodell?

Mit dem TWIN-Modell hat die THWS definitiv auf die richtige Karte gesetzt. Aus meiner Sicht ist es einer der Gründe dafür, dass wir in Sachen Internationalisierung heute sehr gut dastehen. Die Hochschule hat gelernt, Strukturen zu schaffen und Prozesse aufzusetzen, die internationale Studierende gut durch das Studium begleiten. Am Standort Schweinfurt übertrifft der Anteil internationaler Studierender schon jetzt den Anteil von Studierenden mit deutschem Schulabschluss.

Aktuell entwickeln Sie einige Studiengänge weiter zu einem sogenannten THWS- World-TWIN. Was ist ein World-TWIN?

Unser Ziel ist es, das TWIN-Modell nicht nur auf die THWS zu beschränken, sondern es weiter zu fassen. Wir verfolgen damit mehrere Ziele. Zum einen möchten wir den Austausch mit unseren Partnerhochschulen vereinfachen. Das gelingt über harmonisierte, aufeinander abgestimmte Curricula. Zum anderen wollen wir die Vielfalt in den Studiengängen ausbauen. Nehmen wir das Beispiel Robotik: Die Robotik ist ein unglaublich weit gefasstes Themenfeld, von dem nur ein Bruchteil in einem Studiengang behandelt werden kann. Das schränkt die Spezialisierungsmöglichkeiten der Studierenden ein. Um diesem Problem zu begegnen, möchten wir im Verbund mit Robotik-affinen Partnerhochschulen ein gemeinsames Wahl- und Spezialisierungsangebot schaffen, aus dem die Studierenden der Partnerhochschulen flexibel wählen können. Die Partnerhochschulen steuern hierfür je nach individuellen Kompetenzen und Kapazitäten eine kleine Auswahl an Modulen bei, die zusammen mit den Modulen der anderen Partner ein umfangreiches Wahlangebot bieten.

Wo liegen die Herausforderungen?

Im Projektverlauf hat sich herausgestellt, dass es schwierig ist, alle Hochschulen an einen Tisch zu bekommen und bereits bestehende Studiengänge über mehrere Semester aufeinander abzustimmen und zu adaptieren. Von dem Gedanken einer umfangreichen oder gänzlichen Harmonisierung der Curricula haben wir uns daher entfernt. Stattdessen beschränken wir uns auf die Anpassung einzelner Semester und Mobilitätsfenster und fokussieren uns auf den Aufbau neuer Angebote.

Werden diese Module online belegt oder gehen die Studierenden in Präsenz an die Partnerhochschulen?

Beides ist in Arbeit. Für den interkulturellen Austausch ist ein Aufenthalt an einer Partnerhochschule wichtig, idealerweise für mindestens ein Semester. Die virtuelle Mobilität hat jedoch auch ihre Vorteile: Studierende können an Kursen der Partnerhochschulen teilnehmen, ohne das vertraute private Umfeld zu verlassen. Das bietet auch heimatverbundeneren Studierenden die Gelegenheit, sich vorsichtig an das Thema Auslandssemester heranzutasten und internationale Erfahrung zu sammeln. Deshalb ist die Online-Alternative als Türöffner wichtig.

Vom Wintersemester 2025/26 bieten Sie auch reine Online-Studiengänge an, darunter auch ein englischsprachiger Studiengang. Kann dieser Studiengang auch von Internationals belegt werden, die vom Heimatland aus an der THWS studieren?

Mit dem Etikett “online” verbindet sich an der THWS das Versprechen, dass das Angebot rein online wahrgenommen werden kann, ohne Bedarf zur Präsenz vor Ort. Alles kann von zu Hause aus absolviert werden, das schließt auch die Prüfung ein. Damit sprechen wir noch einmal andere Zielgruppen an, auch in Deutschland. Personen beispielsweise, die vielleicht schon im Beruf stehen oder familiäre Verpflichtungen haben. Was die Online-Studienangebote für Internationals zusätzlich attraktiv macht: Sämtliche Probleme mit Visa-Anträgen oder Wohnungssuche fallen weg.

Wie richtet die THWS ihr internationales Hochschulmarketing auf diese neuen Angebote aus?

Wir haben da keine One-fits-all-Lösung, das machen wir auf verschiedenen Ebenen. Wir versuchen, breit aufgestellt zu sein, sind auf Messen präsent, machen bei unseren Partnerhochschulen Werbung vor Ort und präsentieren unsere Studiengänge in Online-Datenbanken, unter anderem in der Datenbank International Programmes in Germany des DAAD. In einigen Ländern bewerben wir Studiengänge etwas intensiver als in anderen, da wir in einigen Regionen starke Partner haben. Da können wir Schnittstellen bilden, zum Beispiel für Vorbereitungsklassen. Die Ansprache ist regional sehr unterschiedlich. In Asien gewinnen wir mögliche Interessentinnen und Interessenten mit einem anderen Wording als in Osteuropa. In Indien zum Beispiel müssen Sie nicht nur die Studieninteressierten überzeugen, sondern vor allem deren Eltern. In vielen Fällen sind das die Geldgeber, und die müssen sich sicher sein, dass sich die Investition lohnt. Das Studium soll sich am Ende auszahlen. Schon mit dem Namen des Studiengangs muss daher klar sein, dass damit gute Berufsaussichten verbunden sind.

Die THWS ist Teil einer Europäischen Hochschulallianz mit Partnern in Finnland, Norwegen, Litauen und Portugal. Was macht diesen Zusammenschluss attraktiv?

Allein die räumliche Nähe lässt einen intensiveren Austausch zu, gerade in Präsenz. Ein Flug nach Tampere oder Kaunas dauert zwei Stunden, auch das Reisebudget ist überschaubar. Die kulturelle Hürde ist natürlich kleiner, was es für viele leichter macht, einen ersten Schritt ins Ausland zu wagen. Damit meine ich nicht nur Studierende, die an eine Partnerhochschule wechseln, sondern auch Lehrende, die als Gastdozierende ein paar Wochen oder ein Semester an einer Partnerhochschule verbringen.

Nutzt die THWS schon KI im internationalen Hochschulmarketing?

KI spielt bei uns nicht nur im Hochschulmarketing eine große Rolle, sondern auch im internationalen Austausch. Beim Aufbau der Online-Studiengänge erstellen wir gerade digitale Medien, ganz bunt zusammengestellt mit Online-Tests, aber auch Videomitschnitten. Bei vielen dieser Aufgaben können wir KI als unterstützendes Werkzeug einsetzen. Es ist absehbar, dass KI zukünftig auch in der Videoproduktion zum Einsatz kommt, die momentan sehr viel Aufwand verursacht. Das bringt eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich.

Zum Beispiel?

Auf Knopfdruck ließe sich das Ganze in jede beliebige Sprache übersetzen. Verständnisschwierigkeiten, die es vor allem in den ersten Semestern häufig gibt, würden sich so ausgleichen lassen. Für internationale Studierende wäre es sehr viel leichter, den Vorlesungen von Anfang an folgen zu können. Auch in der Betreuung internationaler Studierender bietet KI zukünftig Chancen.

Welche?

Bei einigen Internationals hakt es in den ersten Semestern, weil sie mit anderen Voraussetzungen an die Hochschule kommen. Da wäre es toll, wenn sie eine Art Mentor hätten, der ihnen zur Seite steht. Mit KI-Agenten, die im Grunde funktionieren wie ein personifiziertes ChatGPT, wäre das durchaus möglich. Gerade das individuelle Lernen, als Ausgleich von Defiziten, ist mit KI viel einfacher.

Sind diese Ansätze Zukunftsmusik oder schon in greifbarer Nähe?

Noch sind das Demo-Cases, wir können es noch nicht in der Breite aufsetzen. Aber ich bin vorsichtig optimistisch, dass erste KI-basierte Lösungen im internationalen Hochschulmarketing in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden könnten. Die Entwicklung ist schon viel weiter, als viele glauben.

Der GATE-Germany-Lenkungsausschuss

Der Lenkungsausschuss ist das beschlussfassende Gremium von GATE-Germany. Er setzt sich zusammen aus dem Sprecher des Konsortiums Prof. Dr. Joybrato Mukherjee (Präsident des DAAD) und acht Rektorinnen und Rektoren bzw. Präsidentinnen und Präsidenten von GATE-Germany-Mitgliedshochschulen. Der Leiter der Geschäftsstelle Stefan Hase-Bergen nimmt beratend teil. Der Lenkungsausschuss verabschiedet strategische Richtlinien für die Arbeit des Konsortiums, berät bei der Jahresplanung und entscheidet über die Neuaufnahme von Konsortialmitgliedern.

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