Beratung mit Konzept: Virtuelle Hochschulmessen optimal nutzen

Screenshot einer Online-Hochschulmesse von GATE-Germany
© DAAD

Internationale Bildungsmessen ermöglichen Hochschulen den unmittelbaren Kontakt zu ihren Zielgruppen. Mit der Pandemiesituation wurden diese Begegnungen komplett in den virtuellen Raum verlegt. Mitarbeitende aus dem Hochschulmarketing sind positiv überrascht. Ihre Erfahrungen zeigen, was auf Messen online alles möglich ist.

Autorin: Gunda Achterhold (Februar 2022)

Online-Hochschulmessen sind seit Pandemiebeginn 2020 eins der wichtigsten Instrumente zur direkten Ansprache mobiler internationaler Studieninteressierter. Auch wenn die persönliche Begegnung fehlt, bieten sie im Vergleich zu Face-to-Face-Messen eine ganze Reihe interessanter Möglichkeiten. Allein die Reichweite ist ein nicht zu unterschätzender Faktor: Mit wenigen Klicks schalten sich Interessierte aus allen Teilen der Welt zu – ohne großen Aufwand oder Reisekosten.

“Die Zielgruppe hat sich vergrößert, damit ist aber auch die Bandbreite gewachsen”, sagt Julia Friske, die an der Hochschule für Technik und Wissenschaft Berlin ein internationales Graduiertenprogramm koordiniert. “Obwohl wir auf internationalen Messen gezielt unsere englischsprachigen Masterstudiengänge präsentieren, erreichen uns viele Fragen zu Bachelorangeboten oder PhD.” Transparenz sei daher wichtig. “Wir müssen deutlich kommunizieren, mit welchen Studiengängen wir dabei sind – ohne andere zu verprellen”, so beschreibt Julia Friske den Balanceakt. “Denn wir stehen ja trotzdem stellvertretend für die gesamte HTW.”

Interesse wecken, Zielgruppen ansprechen, an den virtuellen Informationsstand einladen: Darum geht es bereits im Vorfeld einer Messe. Simone Grommes und ihr Team bewerben die Messeauftritte der Universität Passau gezielt über ihre Social-Media-Kanäle und nutzen zusätzlich deutsche und vor allem englische Studieninformationsportale. “Gerade international ausgerichtete Masterstudiengänge lassen sich virtuell viel besser präsentieren”, sagt die Leiterin der Studierendenkommunikation. “Wir haben deshalb entschieden, dass wir für die Zielgruppe der Masterstudierenden dauerhaft bei diesem Format bleiben.”

2021 richtete die Universität Passau eine eigene virtuelle Messeplattform ein. Das Pilotprojekt lief so gut, dass auch in Zukunft eine Messe pro Jahr für die Masterstudiengänge in eigener Regie veranstaltet werden soll. “Das gibt uns Flexibilität in der Gestaltung und Individualisierung der Messe”, so Grommes. Beim Aufbau einer eigenen Messeplattform ist aus ihrer Sicht entscheidend, einen Anbieter zu suchen, der zur Hochschule passt, und in ein bestmögliches Messeerlebnis zu investieren. “Es ist eine Investition am Anfang, dann wird es eine Optimierungssache.” Ein Kommunikationsplan gibt die Struktur für das Marketing vor. “Wir legen Wert darauf, dass die Veranstaltung drei Monate vor Beginn fix ist – alle Teilnehmenden, Expertinnen und Experten sowie Alumni eingebunden und Inhalte vorbereitet sind”, sagt Simone Grommes. “Nur so können wir uns im Endspurt inhaltlich voll auf die Werbung konzentrieren.”

Informationen lassen sich gut vorbereiten

Eine vorausschauende Planung hält auch Lea Kessler für entscheidend, seit September 2021 verantwortet sie das Internationale Marketing an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Nach der Teilnahme an zwei Messen mit Fokus auf Lateinamerika und Mexiko im vergangenen Jahr steckt ihr Team schon wieder mittendrin in den Vorbereitungen für weitere digitale Messen. “Hochschulstandorte, die im Ausland nicht so bekannt sind, müssen auf Messen präsent sein und sich erst profilieren”, betont Lea Kessler. Für alle Beteiligten sei es wichtig, das eigene Angebot gut zu kennen. “Wir haben ein breit gefächertes Studienangebot, mit dem wir eine heterogene Zielgruppe ansprechen. Da ist es gar nicht immer so einfach, den Überblick zu behalten.” Virtuelle Messen bieten aus ihrer Sicht den großen Vorteil, wichtige Hochschulseiten, auch englischsprachige, offen zu halten und passende Links entsprechend schnell in den Chat kopieren zu können.

Eher kritisch bewertet sie das auf virtuellen Messen verbreitete Phänomen der Massennachrichten von Studieninteressierten mit allgemein gehaltenen Fragen. Während der Messe seien oft viele Chats gleichzeitig geöffnet, so Kessler. “Nicht alle Systeme zeigen an, ob ich gerade bereits in einem schriftlichen Austausch oder einem Videochat bin. Das finde ich problematisch, denn mir ist es wichtig, dass Interessierte möglichst schnell eine Antwort erhalten.” Lea Kessler bereitet daher vorgefertigte Nachrichten mit Links vor, die sie bei Bedarf schnell verschicken kann. Bewährt habe sich dabei eine Excel-Tabelle mit Fragen, die auf Messen in der Vergangenheit häufig gestellt wurden. “Für weitere Rückfragen richten wir außerdem eine Mail-Adresse ein, dann kann ich in Ruhe die richtigen Kontaktpersonen heraussuchen.”

Messeplattformen: Trend geht zu Erlebniswelten

Screenshot einer Online-Hochschulmesse mit Messeständen am Meer

Naturerlebnis statt Messehalle: Der DAAD setzt auf interessant gestaltete Szenerien.© DAAD

Virtuelle Hochschulmessen sind vom Konzept her grundsätzlich ähnlich: Hochschulen sind mit Ständen vertreten, an denen Broschüren hinterlegt und mit einem Klick abgerufen werden können. Auch Links zu Imagefilmen oder Fotoalben, die einen Eindruck vom Leben auf dem Campus vermitteln, lassen sich in den Auftritt integrieren. Im Handling der einzelnen Tools und Darstellungsformen gebe es jedoch Unterschiede, berichten Mitarbeitende der Hochschulen – das sei manchmal herausfordernd. Veranstalter bieten daher im Vorfeld häufig Schulungen oder Tutorials an, die den Umgang mit den Plattformen erleichtern.

Die Lernkurve war in den vergangenen zwei Jahren steil – bei den Messedienstleistungsunternehmen ebenso wie bei den Hochschulen. Vor allem im Hinblick auf das Messedesign hat sich viel getan: weg von der klassischen Messehallenoptik hin zur Messe mit Erlebnischarakter. Ulrike Sauckel, Leiterin Internationales und Alumni an der Technischen Hochschule Deggendorf, ist angetan von den inzwischen deutlich abwechslungsreicheren Szenarien. Besonders gut gefallen hat ihr der Auftritt bei der von GATE-Germany organisierten Study in Germany Virtual Fair – Focusing Sustainability im September 2021. “Wir waren als Avatare an unserem Stand vor einer Alpenlandschaft zu sehen”, berichtet sie. “Optisch war das ein Quantensprung – aber ein erfolgreicher Messeauftritt macht sich natürlich auch in einem solchen Setting nicht von selbst und ist sehr arbeitsintensiv.”

Diese Erfahrung können Alice Jordan und Andreas Mai nur bestätigen. Im DAAD sind die beiden mit ihrem Team zuständig für die internationalen Hochschulmessen von GATE-Germany. “Es ist ein Irrtum zu glauben, dass virtuelle Messen weniger Vorbereitung erfordern als Präsenzveranstaltungen”, sagt Alice Jordan. “Das wird häufig unterschätzt.” Natürlich lasse sich aus dem schöpfen, was an Informationen bereits da sei, beispielsweise um Textbausteine vorzubereiten und kurze prägnante Aussagen zu Papier bringen. Die digitale Kommunikation und der Austausch per Chat folgen jedoch eigenen Regeln. “Es ist daher beispielsweise auch zu überlegen, wer im Team besonders gut und schnell in englischer Sprache schreiben kann.”

Personelle Vielfalt am virtuellen Messestand

Screenshot des Stands der BTU Cottbus-Senftenberg auf einer Online-Hochschulmesse von GATE-Germany

Eine gute Beratungsatmosphäre lässt sich auch online schaffen.© DAAD

Bei der Zusammensetzung der Messeteams eröffnen virtuelle Veranstaltungen einen deutlich größeren Spielraum. Alle Beteiligten werden digital zugeschaltet, Time-Slots schaffen darüber hinaus Flexibilität. “Die Qualität der Gespräche ist im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen natürlich eine andere”, betont Bettina Neumann, PR- und Marketingreferentin an der Universität Stuttgart. “Personell können wir uns jetzt jedoch ganz anders aufstellen.”

Zur klassischen Besetzung von Präsenzmessen für Studieninteressierte gehören in der Regel der oder die Internationalisierungsbeauftragte oder aber Kursleitende der internationalen Masterstudiengänge sowie ein Vertreter oder eine Vertreterin der internationalen Studierenden. “Jetzt nehmen wir auch Teammitglieder aus dem International Office mit, die beispielsweise über Sprachkurse, Buddy Service und interkulturelles Mentoring informieren. Wendet sich eine Messe an den wissenschaftlichen Nachwuchs, kann jemand aus dem Forschungsdezernat über EU-Förderung beraten, auf einer Messe mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit wäre jemand aus dem Green Office mit dabei.” Je mehr Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner am Stand verfügbar sind, desto mehr Eins-zu-Eins-Chats kommen zustande. “Das multipliziert sich”, stellt Bettina Neumann fest. “Und das ist auch gut so. Denn Gruppengespräche, wie es sie auf Präsenzveranstaltungen gibt, entfallen im virtuellen Format.”

Die Größe der Teams ist bei virtuellen Messeständen jedoch nicht unbegrenzt, der DAAD empfiehlt bis zu fünf Personen. “Wir reizen dieses Limit immer voll aus”, sagt Ulrike Sauckel. Die TH Deggendorf ist auf digitalen Veranstaltungen mit einem jungen, dynamischen Messeteam vertreten. Neben Lehrenden und Teammitgliedern aus dem International Office setzt die Hochschule – wie viele andere – auch auf studentische Botschafterinnen und Botschafter aus der Zielregion, die von ihren eigenen Erfahrungen berichten. “Der Einsatz muttersprachlich Beratender ist sehr hilfreich”, so Ulrike Sauckel. “Sie ermöglichen einen ganz anderen Austausch, Peer-to-Peer. Und sie können auch mal Gespräche dolmetschen, wenn sich zum Beispiel Eltern melden, die nicht so gut Englisch sprechen.” Ihr Team sei sehr proaktiv unterwegs und spreche Messegäste direkt an: “Ich sehe, du bist da, was können wir für dich tun?”

Diese offensive Herangehensweise könnte hilfreich sein, denn die Kommunikation im digitalen Raum ist durchaus mit Hemmschwellen verbunden. “Nicht jedem ist es angenehm, für alle sichtbar eine Frage zu posten”, sagt Julia Friske von der Hochschule für Technik und Wissenschaft Berlin. “Deshalb kann es auch sein, dass gar nichts passiert, obwohl viele im Raum sind – wir sehen ja die Teilnehmendenzahlen. Dann ist es an uns, den Anstoß zu geben und die Gäste am Messestand aktiv zum Austausch einzuladen, mit einer Umfrage zum Beispiel.” Einstiegsfragen wie “Have you already had experience abroad?” oder “Will you have to finance your studies in Germany with a part-time job?” eignen sich gut, um eine Diskussion im Chat anzuregen. “Wir versuchen Interessierten zu vermitteln, dass wir verstehen, welche Fragen sie beschäftigen”, ergänzt Friske. “Und, dass wir ihnen Lösungsansätze bieten können.”

Statistische Auswertungen liefern wichtige Kennzahlen

Am Ende virtueller Messeauftritte steht ein Datensatz: Registrierungen und Besuchende nach Heimatländern geordnet gehören ebenso zu den statistischen Auswertungen, die Messeanbieter im Nachgang zur Verfügung stellen, wie fachliche Interessen der Messegäste und die Kontaktdaten der Teilnehmenden. Wie viele nahmen teil oder waren am Stand, wie gut besucht waren die Chats und wie häufig wurde welcher Link aufgerufen? All diese Kennzahlen können für die Evaluierung virtueller Hochschulmessen genutzt werden. “Das ist eine tolle quantitative Geschichte”, findet Bettina Neumann von der Universität Stuttgart. Mit zum Teil durchaus überraschenden Ergebnissen: “Wir stellen beispielsweise fest, dass es oft ganz basale Informationen sind, die besonders häufig angeklickt werden”, sagt die Marketingreferentin. “Diese Informationen helfen uns sehr dabei, unsere Angebote zu gestalten und die Erkenntnisse auf andere Messen zu übertragen.”

Eine besondere Reihe virtueller Bildungsmessen veranstaltet der DAAD im Rahmen des EU-Projekts Study in Europe. Einen Rückblick auf die Messen im Jahr 2021 sowie weitere Informationen zu Beteiligungsmöglichkeiten finden Sie hier.

Attraktiv sind auch die online hinterlegten Kontaktdaten. Sie erlauben es Hochschulen, die Teilnehmenden im Nachgang anzuschreiben. “Laut Datenschutz allerdings nur einmal”, betont Ulrike Sauckel von der TH Deggendorf. “Wir weisen dabei auf kommende Events hin und schicken ein Kontaktformular mit, so bauen wir einen Verteiler auf.” Ihr Team ging 2021 “in die Vollen” und nahm an 30 internationalen Bildungsmessen teil. “Auf Grundlage dieser Erfahrungen sortieren wir jetzt aus und entscheiden, was wir lassen und wo wir uns auch weiterhin engagieren”, sagt die Sauckel. Den Erfolg konkret zu messen, sei dennoch schwierig. “Wer sich tatsächlich einschreibt, zeigt sich in der Regel erst ein paar Jahre später.”

Nachkontakte pflegen

Wer heute eine virtuelle Messe besucht, steht vielleicht gerade kurz vor dem Schulabschluss; andere wissen schon, dass sie in Deutschland studieren wollen, nur noch nicht wo. “Es gibt eben nicht den einen mobilen internationalen Studierenden, sie sind alle an unterschiedlichen Punkten ihrer Student Journey“, sagt Marco Krinowski, Referent für internationales Hochschulmarketing an der Hochschule Fulda. Er spricht von einer Daumenregel: Zwischen informieren und entscheiden liegen demnach etwa 15 bis 18 Monate. “Es muss also darum gehen, Kontaktpunkte zu schaffen und warm zu halten.”

So akribisch er sich auf digitale Hochschulmessen vorbereitet, so differenziert arbeitet er sie am Ende auch auf. “Wichtig ist aus meiner Sicht, einen Perspektivenwechsel nachzuvollziehen und sich in die Zielgruppe hineinzuversetzen.” Binnen 48 Stunden fasst der Referent nach, öffnet den Infokanal und übermittelt Kontaktdaten. Dabei unterscheidet er drei Gruppen, denen er unterschiedliche Versionen zukommen lässt: Registrierte – bei virtuellen Bildungsmessen liegt die Differenz zwischen Anmeldungen und tatsächlichen Besuchen bei etwa 40 Prozent – erhalten eine allgemein gehaltene Präsentation als Infopaket und Anreiz, vielleicht doch mal auf die Website der Hochschule Fulda zu gehen. Jene, die tatsächlich teilgenommen oder sogar den eigenen Stand besucht haben, spricht Marco Krinowski zielgerichteter an. Je nach Region sogar in ihrer Muttersprache, das komme dann auch den Eltern zugute. Diese Investition an Zeit und Ressourcen lohne sich, betont Krinowski. Auf seine Nachrichten erhält der Referent viel Resonanz. “Sie fühlen sich gesehen, und nicht wie einer von Hunderten. Das ist viel wert.”

Virtuelle Bildungsmessen optimal vorbereiten

Checkliste

  • Beratungsteam besteht idealerweise aus erfahrenen Studienberaterinnen und -beratern, Fachzuständigen sowie internationalen Studierenden (Peer-to-Peer-Austausch)
  • Team ist auf die Zielgruppe eingestellt und kann auf Augenhöhe beraten (Tipp: Austausch mit internationalen Studierenden der eigenen Hochschule im Vorfeld)
  • Zuständigkeiten für die Chats sind untereinander geklärt
  • aussagekräftige Textbausteine für häufige Fragen sind vorbereitet
  • für die Zielgruppen interessante Infomaterialien und Links sind abrufbar
  • Fotoalben/Videos zu verschiedenen Themen sind bereitgestellt
  • Technik-Check zu Beginn der Veranstaltung: Internet, Kamera und Mikro funktionieren einwandfrei
  • für Fragen, die nicht direkt während der Messe beantwortet werden können, ist ggf. eine E-Mail-Adresse eingerichtet und kommuniziert
  • Nachbereitung der Messe ist organisatorisch und zeitlich eingeplant

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