Diversitätssensibles Hochschulmarketing: Vielfalt mitdenken

Für das internationale Studierendenmarketing wie auch für die Rekrutierung internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat der Umgang mit dem Thema Diversität eine wichtige Bedeutung: Eine transparente und glaubwürdige Diversitätsstrategie kann zum Profil der Hochschule beitragen und eine positive Botschaft senden. Umgekehrt kann durch die Gewinnung internationaler Studierender und Forschender wiederum die Diversität an der Hochschule erhöht werden.

Autorin: Sabine Giehle (Juli 2022)

Studierende mit Doktorhut in Regenbogenfarben
© Spiderplay/iStockphoto

Die Herangehensweisen an das Thema Diversität sind so komplex und vielfältig wie die Menschen, um die es geht. "Im Verständnis des DAAD beschreibt Diversity die soziokulturelle und soziostrukturelle Vielfalt von Menschen und Gruppen. Diese Vielfalt umfasst Aspekte wie soziale und regionale Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierungen, Behinderungen und Beeinträchtigungen und anderes mehr", erläutert Dr. Ursula Egyptien, Leiterin des Bereichs Marketing und der GATE-Germany-Geschäftsstelle im DAAD. Wichtig sei es auch zu erkennen, dass "kein Mensch nur durch eine dieser Dimensionen bedingt ist, sondern vielmehr durch sehr viele verschiedene", betont sie.

Warum ist Diversity relevant für Hochschulen?

"Hochschulen sind eine Gesellschaft im Kleinen", sagt Georg Teichert, Zentraler Gleichstellungs- und Frauenbeauftragter und Leiter der Stabsstelle Chancengleichheit, Diversität und Familie der Universität Leipzig. Teichert setzt sich mit seiner Stabsstelle unter anderem mit Förderprogrammen, internationalen Tagungen, Aktionswochen oder Filmreihen für mehr Chancengerechtigkeit, Diversität und Familienfreundlichkeit an seiner Universität ein. Diversität bedeutet daher für ihn, "die Unterschiedlichkeit aller Mitglieder und Angehörigen der Hochschule wertzuschätzen und die Potenziale daraus zu nutzen. Am Ende sind wirksame Diversity Policies auch eine Frage der Gerechtigkeit: Universitäten sollten Vorbild für die Gesellschaft sein und daher gegen jede Form von Diskriminierung vorgehen."

So sieht es auch Ursula Egyptien: "Wir sind davon überzeugt, dass sich die Qualität von Studium, Lehre und Forschung verbessert, wenn alle talentierten Menschen Zugang dazu haben und wenn sie ihre vielfältigen und unterschiedlichen Perspektiven einbringen können." Und Vielfalt, meint sie, "ist auch für den internationalen akademischen Austausch sehr wichtig."

Welche Rolle spielt das Thema für das Hochschulmarketing?

Dass Diversität sich lohnt und dass es gut ist, sich darum zu kümmern, ist bei den Hochschulen angekommen. "Diversity ist für uns essenziell, um unseren Grundsatz einer weltoffenen Universität umzusetzen, die die besten Talente in all ihrer Vielfalt anzieht. Wir wollen jeder Person die bestmöglichen Bedingungen zur Entfaltung ihres individuellen Potenzials bieten. Gleichstellung ist daher ein elementarer Pfeiler der TUM", erläutert Ulrich Meyer, Pressesprecher und Leiter Media Relations an der Technischen Universität München.

Die TUM ist institutionell gut aufgestellt und hat eine Stabsstelle Diversity & Equal Opportunities eingerichtet, die die Universitätsangehörigen berät und die Öffentlichkeit über Diversitätsthemen informiert. Zu der Stabsstelle gehören der Familienservice, der Bereich Diversity sowie der Accomodation Service, der internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Wohnungssuche unterstützt. Zusätzlich gibt es noch das Gender Equality Office, dessen primäre Aufgabe es ist, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern an der TUM – sowohl bei den Studierenden als auch beim wissenschaftlichen Personal – zu erreichen. Ansprechpartnerin für das Personal im Wissenschaftsmanagement ist die Gleichstellungsbeauftragte. Ein eigener Webbereich informiert über die Arbeit der TUM zu Gender und Diversity.

Der aktive Umgang der Hochschulen mit Diversität spielt für ihre internationale Positionierung in zweierlei Hinsicht eine Rolle: Dass die eigene Hochschule Vielfalt respektiert und fördert, kann eine überzeugende Botschaft an internationale Studieninteressierte oder (Gast-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein und zum Profil der Institution beitragen. Gleichzeitig wird die Hochschule wiederum vielfältiger und kann ihre Diversity-Kompetenz steigern, wenn sie mehr internationale Studierende und Forschende aufnimmt. "Eine Hochschule, die Diversität und Chancengerechtigkeit umfassend fördert, sorgt für entsprechende Wahrnehmung und wirkt zunehmend anziehend auf Studieninteressierte sowie Lehrende und Forschende aus der ganzen Welt", meint auch Ursula Egyptien vom DAAD.

Eigene Maßnahmen entwickeln und den Austausch suchen

Was ist also zu tun, um die eigene Hochschule fit zu machen beim Umgang mit Vielfalt? "Es gibt nicht die ein oder zwei erfolgversprechenden Konzepte. Jede Hochschule ist anders", stellt Georg Teichert von der Universität Leipzig fest. "Maßnahmen wie Befragungen sind aber auf jeden Fall sinnvoll, um Handlungsfelder zu identifizieren und für die eigene Arbeit valide empirische Grundlagen zu haben." Ist das geklärt, sind "transparente, wirksame und unabhängige Beratungsstellen gerade im Antidiskriminierungsbereich sehr wichtig", so Teichert weiter. Darüber hinaus gehe es darum, "die Hochschulöffentlichkeit einzubinden und zu sensibilisieren. Nur so kann man nachhaltig einen Kulturwandel befördern."

Die TU München hat sich einem "ganzheitlichen Diversitätsmanagement verpflichtet", erläutert Ulrich Meyer. Dazu gehören ein diversitätsgerechtes Talentmanagement und die Verankerung von Diversität in Forschung und Lehre, aber auch in den "zentralen Strukturen und Prozessen der TUM".

Seminare zum Thema

Unter dem Motto "Mit diversen Ideen die Zukunft gestalten" bietet die Internationale DAAD-Akademie (iDA) eine Seminarreihe zu Diversität und Chancengerechtigkeit an. 

Weitere Informationen

Unterstützung erhalten Hochschulmitarbeitende unter anderem vom Netzwerk Diversity an Hochschulen, das von Georg Teichert koordiniert wird. "Es ist ein Netzwerk auf Arbeitsebene und dient dem vertraulichen und kollegialen Austausch. Da Diversity an Hochschulen ein (vermeintlich) neues Aufgabenfeld ist, braucht es dieses Netzwerk, um sich gegenseitig zu unterstützen und Best Practices auszutauschen", erklärt Teichert das Anliegen der Gruppe, deren knapp 50 Mitglieder von Hochschulen aus der ganzen Republik kommen.

Etliche Hochschulen haben sich mittlerweile auch Evaluationen wie zum Beispiel dem Audit "Vielfalt gestalten" gestellt, einer Initiative des Stifterverbandes, die unter anderem vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt wird. Mehr als 50 Hochschulen sind bislang hier erst- oder reauditiert, 25 weitere nehmen aktuell am Audit teil. In dem kostenpflichtigen Auditierungsprozess soll eine hochschulspezifische Diversitätsstrategie erarbeitet werden und in einem Diversity Forum der Austausch mit den anderen Hochschulen über Themen wie Rekrutierungs- und Auswahlverfahren, Studien- und Prüfungsorganisation, Personalentwicklung, Hochschulmarketing oder Change Management ermöglicht werden.

Diversität und Internationalisierung zusammendenken

Zu den erfolgreich auditierten Hochschulen gehört auch die Technische Universität Dortmund. "Vielfalt ist ein prägendes Merkmal von Hochschulen", stellt Julia Pehle, Projektkoordinatorin internationale Studierende an der TU Dortmund, fest. Sie hat Ende 2021 zwei Design-Thinking-Workshops mit Studierenden durchgeführt. Die Frage, die gemeinsam mit den Studierenden bearbeitet wurde: Wie können die Betreuungssysteme der Hochschule näher an die zunehmend divers zusammengesetzte Studierendenschaft geführt werden? "Mit einer heterogenen Studierendenschaft stellt sich für hochschulinterne Institutionen die Herausforderung, die bestehenden Betreuungssysteme und Unterstützungsangebote entsprechend auszurichten, was auch heißt, Diversität und Internationalisierung gemeinsam zu denken", erklärt Julia Pehle.

In dem mehrstufigen Projekt konnten auch Mitarbeitende unter anderem aus der Stabstelle Chancengleichheit, Familie und Vielfalt, dem Talentscouting und der Zentralen Studienberatung ihr Wissen, ihre Anregungen, Bedenken oder Ideen zur Weiterentwicklung einbringen. "Durch die Einbindung der unterschiedlichen Hochschuleinrichtungen konnten diese mit den Studierenden in einen Austausch treten und deren Perspektive in ihre Angebote integrieren", erläutert die Projektkoordinatorin.

"Internationale Studierende haben zum Teil andere Herausforderungen zu bewältigen als Studierende, die überwiegend in Deutschland aufgewachsen sind, zum Beispiel in Bezug auf Sprachkenntnisse, aufenthaltsrechtliche Fragen oder Einblicke in die Studien- und Alltagskultur", erklärt Julia Pehle. Gleichzeitig identifizieren sie sich mit weiteren Aspekten gesellschaftlicher Vielfalt und können darüber wiederum Gemeinsamkeiten mit anderen Studierenden entdecken.

Informationsangebote ausbauen und bekannt machen

Diversitätsagenda des DAAD

Die Förderung von Diversität durch Austausch gehört zu den Grundsätzen der Arbeit des DAAD. Die 2022 veröffentlichte Diversitätsagenda beschreibt den Weg hin zu einer Stärkung von Chancengerechtigkeit, gegenseitigem Verständnis und Inklusion.

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"Auch im Studierendenmarketing können Hochschulen ihre Diversitätskompetenz auf verschiedenen Wegen erweitern", so Ursula Egyptien vom DAAD. Instrumente, die sich in der generellen Ansprache internationaler Studierender etabliert hätten, könnten auch im Hinblick auf Diversitätsthemen ausdifferenziert werden – beispielsweise mithilfe authentischer Testimonials oder auf Basis einer kritischen Prüfung des Informationsangebots durch Studierende mit speziellen Bedürfnissen.

"Je selbstverständlicher wir unterschiedlichste Aspekte von Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion bei der Ansprache internationaler Studierender einschließen, desto mehr steigt das allseitige Bewusstsein für eine diversitätssensible Sprache und für einen respektvollen Umgang miteinander", so Egyptien.

Vor allem zu Beginn des Studiums gehe es darum, neben allgemeinen Themen für internationale Studierende auch weitere Angebote vorzustellen, wie "Anlaufstellen für behinderte und chronisch kranke Studierende, Workshops und Seminare zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz oder Seminare zur Diversity- und Gender-Kompetenz", so Ulrich Meyer von der TUM. Diversität sei wie Internationalität "ein Querschnittsthema, das bei allen Aktivitäten mitgedacht und gelebt werden sollte", ergänzt Julia Pehle.

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